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Kinder-TV: Rocken mit Rudi

Henriette Heinze, Dirk Borchardt, Anke Engelke, Jörg Schüttauf - warum renommierte Schauspieler so gerne Kinderfernsehen und -filme machen.

Tattoos an beiden Oberarmen, eher ein kräftiger, bulliger Typ, spielt öfters mal den Mörder oder Verdächtigen im „Tatort“ – wer sich den Schauspieler Dirk Borchardt im Fernsehen anschaut, kommt nicht unbedingt auf den Gedanken, dass das hier jemand sein könnte, der mal im Kinderprogramm auftaucht. Doch das gilt nicht für „Siebenstein“, die beliebte, wöchentliche Kindersendung auf Kika. Hier hatte der renommierte Schauspieler eine Gastrolle, und nicht nur er. Das halbstündige Format ist auch wegen seines bunten Schauspieler-Karussells eine der bemerkenswertesten von rund 200 Sendungen, die die Zeitschrift „Flimmo – Programmberatung für Eltern“ (Heft 1/2011) aufgelistet hat.

Kinderfernsehen, das ist ein weites Feld: für Medienpädagogen, für Zeichner, für Moderatoren, für Puppenspieler, aber eben auch für gestandene Darsteller wie Dirk Borchardt, Henriette Heinze, Jörg Schüttauf oder Anke Engelke, die Rollen im Kinder-TV übernehmen. Oder gleich ganze Filme drehen. Die ARD-Märchenreihe nach den Gebrüdern Grimm wird auch in diesem Jahr fortgesetzt. Katja Flint, Anna Maria Mühe oder Barbara Auer sind mit dabei.

Etwas weniger Zuschauer haben Borchardt und Henriette Heinze sonntagsfrüh im Kinderkanal. Seit 2003 spielt die 37-Jährige die Hauptfigur „Siebenstein“ in der gleichnamigen Serie. 1999 wurde sie für ihre erste Filmrolle in „Wege in die Nacht“ mit dem Deutschen Filmpreis als beste Nebendarstellerin ausgezeichnet. Als die Anfrage zu „Siebenstein“ kam, musste sie nicht lange überlegen. Frau Siebenstein hat einen Trödelladen, in dem sie sich mit dem frechen Raben Rudi und dem besserwisserischen Koffer unterhält. „Flimmo“ rät: Diese Geschichten regen zum Nachdenken an und machen Mut. „Es ist auch für mich als Schauspieler etwas Außergewöhnliches, Faszinierendes, mit Puppen zu spielen“, sagt Heinze. Außerdem könne man da viel Ausprobieren, zum Beispiel Singen.

Wenn man so will, scheint es Schauspieler zu adeln, für Drei- bis Sechsjährige vor dem Bildschirm eine Kostprobe ihres Könnens, ihrer Wandlungsfähigkeit zu geben. Dirk Bach, Tilo Prückner, Otto Sander, Richy Müller, Hansa Czypionka, viele renommierte Darsteller hatten Gastrollen bei „Siebenstein“, teilweise auch gegen ihr Image besetzt. Dirk Borchardt trat neben dem frechen Raben zunächst als angsteinflößender Rocker auf, der sich am Ende als ganz sanft entpuppt.

„Ich lebe mit einem fünfjährigen und sehr wissbegierigen Kind zusammen“, sagt der 42-jährige Schauspieler und Kampfkunstexperte. Wenn Borchardt die Gelegenheit bekomme, Kindern unterhaltsame und am besten noch lehrreiche Minuten in die Wohnzimmer zu schicken, mache er das gerne. Er habe neulich mit einer Kollegin darüber gesprochen, womit sie sich beschäftigen: Mord, Totschlag, Neid, Familiendramen etc. „Diese Themen färben ab. Viele Kollegen werden krank darüber. Dann ist ein solch gesundes, wunderbares Kinder-Spaß-Drehbuch natürlich herzlich willkommen.“

Reine Freude nach einem „Tatort“-Krimi ist so ein Dreh mit Kindern oder animierten Figuren aber auch nicht. „,Siebenstein’ ist aufwendig inszeniert, eine Folge braucht eine Woche. Es ist nicht immer so geschrieben, wie man’s dreht. Das soll kein aufgesagtes Theater sein, muss organisch wirken“, sagt Heinze. Eine harte Schule. Der Fokus lege nicht nur auf den Schauspielern, sondern auf den Puppen wie Rudi oder dem sprechenden Koffer. Zehn Folgen dreht Henriette Heinze im Jahr. Auf der Straße werde die zweifache Mutter schon mal auf „Siebenstein“ angesprochen, eine populäre Identifikationsfigur-Figur für Kinder, wie „Löwenzahn“ Peter Lustig oder Ernie und Bert. Sie lacht: „An Ernie und Bert reiche ich bestimmt nicht ran.“

Bekannt dürfte vielen Eltern und Kindern auch jenes Gesicht sein, das samstagmorgens im Ersten in „elefantierisch!– Tiere und Talk mit Kindern“ unterhält: Anke Engelke, 45. Früher war die Schauspielerin und Entertainerin selbst Kinderstar. Mit 14 moderierte sie fürs ZDF Sendungen auf der Funkausstellung. Was ist so reizvoll an Sendungen wie „elefantierisch!“ oder der „Sendung mit dem Elefanten“? „Soll ich meine Arbeit beim Kinderfernsehen jetzt wirklich anders bewerten als die beim Erwachsenenfernsehen? Kann ich nicht“, sagt Engelke. Reizvoll sei für einen Schauspieler immer alles, was beim Spielen schon intensiv ist und Spuren hinterlässt. „Blabla ohne Unter- und Überbau will keiner spielen, das macht beim Arbeiten weder Sinn noch Spaß und wird beim Gucken auch keinen Spaß machen. Ich mag bei der ,Sendung mit dem Elefanten’ die Kombi aus pädagogischem Anspruch und Improvisation. Beim Erwachsenenfernsehen auch.“

Ähnlich bringt Sandra Borgmann („Tatort – Weil sie böse sind“), 37, ihre Erfahrungen nach der Kinderfilmproduktion „Hier kommt Lola!“ aus 2010 auf den Punkt: „Mit Kindern zu drehen ist wie mit den Großen zu drehen, nur dass sie eben kleiner sind.“ Und als Publikum seien Kinder unschlagbar. „Die lachen dich aus oder holen sich ne Limo, wenn sie dir nicht glauben, was du da spielst.“

Ausgelacht wurde Henriette Heinze mit „Siebenstein“ noch nicht. Zum Einen sei die Arbeit sehr familiär, auf einer gewissen Ebene aber auch anstrengend. Eine bestimmte Energie, die man für eine Rolle in einem Erwachsenenfilm braucht, müsse man im Kinderfernsehen anders nutzen. „Es erfordert ein gewisses Gefühl, dass man nicht kindisch wirkt, anbiedernd. Man muss für Kinder einen Ton treffen, die Komik dosierter einsetzen.“ Eine Herausforderung. Für Heinze, für Borchardt. Der Schauspieler würde es jedenfalls „jederzeit wieder tun“.

Das wäre doch mal eine schöne Kategorie für den Deutschen Fernsehpreis: bester Darsteller in einer Kinderserie/Film.

„Siebenstein“, Kika, 10 Uhr 35

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