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Mit dem Allgäu verwachsen: Kommissar Kluftinger (Herbert Knaup) behagt es gar nicht, gegen die Milchbauern zu ermitteln.

© ARD Degeto/BR/Hagen Keller

Kluftinger-Krimi: Nicht ohne meine Kässpatzen

Aus dem Allgäu ins Erste: der Kluftinger-Krimi „Milchgeld“ mit Herbert Knaup, der für die Kluftinger-Filme ein Glücksfall ist.

Diese Anstrengung hatte sich nicht gelohnt: Gerade erst hatten es Kluftinger und seine vier Freunde von der Altusrieder Blaskapelle geschafft, sich und ihre Instrumente in dem uralten VW Passat unterzubringen, da klingelt das Handy des Kommissars. „I hab a Leichensach“, verkündet er den Freunden. Mit diesen Worten nimmt der erste Fall seinen Lauf, den der verschrobene Kommissar aus dem Allgäu in der ARD lösen soll.

Unter Krimifreunden sind die Romane des Autorenduos Volker Klüpfel und Michael Kobr, die in dem Film in Nebenrollen zu sehen sind, längst Kult. Die bislang erschienenen Kluftinger-Krimis haben es gedruckt oder als Hörbücher regelmäßig in die Bestsellerlisten geschafft. Den Krimi „Erntedank“, eigentlich das zweite Buch der Reihe, hatte Regisseur Rainer Kaufmann 2009 für das BR-Fernsehen verfilmt. Insbesondere die Besetzung des mürrisch-wortkargen Allgäuers mit Herbert Knaup verschaffte dem Regionalkrimi bundesweite Beachtung. Am Donnerstag kommt nun mit „Milchgeld“ der Kluftinger-Erstlingsroman ins Erste. Die Mundart des Allgäu ist geblieben. Spätestens nach zehn Minuten sollte aber auch jeder Preuße damit zurechtkommen.

Kommissar Kluftinger – aus seinem Vornamen wird ein großes Geheimnis gemacht – ist ein echtes Original, dessen Heimatverbundenheit schier grenzenlos ist. Unter normalen Umständen würde er für keine Pizza der Welt auf seine Kässpatzen verzichten. Das Allgäu verlässt Kluftinger nur höchst ungern. Dass er den Strandurlaub mit Ehefrau Erika (Margret Gilgenreiner) wegen der Mordermittlungen nicht antreten kann, ist für ihn nur i+nsofern ein Verlust, als dass er nun niemanden in seiner Nähe hat, um sich mit ihm über den Fall oder den Streit mit seinem Vater (Tilo Prückner auszutauschen. Kluftinger senior war ebenfalls Leiter der Mordkommission und findet es noch immer ganz normal, am Tatort schon mal selbst die Ermittlungen aufzunehmen. Überhaupt versteht sich der Senior viel zu gut mit Richard „Richi“ Maier (Johannes Allmayer), Kluftingers ebenso pedantischem wie strebsamem Kollegen.

ARD-Programmchef Volker Herres nennt den wortkargen Eigenbrötler Kluftinger eine Art Voralpen-Columbo. Das stimmt zum Teil, aber auch die literarischen Vorbilder des Autorenduos sind hilfreich beim Verständnis dieser Figur. Klüpfel liebt die Romane von Henning Mankell und dessen Kommissar Wallander. Und Kobr schätzt Georges Simenon, dessen Kommissar Maigret ebenfalls nicht wegen langer Reden, sondern für seine zielstrebige Beharrlichkeit gefürchtet ist.

In „Milchgeld“ muss Kluftinger den Mord am Betriebsleiter der örtlichen Molkerei aufklären. Der wurde erdrosselt in seinem Wohnzimmer aufgefunden. Allzu beliebt war der Österreicher nicht, vor allem, weil er die ansässigen Bauern gegen sich aufgebracht hat, in dem er immer weniger für die Milch zahlte. Das macht nun die Bauern verdächtig, was Kluftinger in Bedrängnis bringt, der gegen seine Kapellenfreunde ermitteln muss. Der Kommissar steht zunehmend isoliert da, nur sein Freund und Kollege Roland Hefele (Jockel Tschiersch) hält unverbrüchlich zu ihm.

Herbert Knaup ist ein Glücksfall für die Kluftinger-Filme, so wie er in dieser Rolle aufgeht. Neben seiner ungeheuren Wandlungsfähigkeit hat sicherlich auch geholfen, dass Knaup aus Sonthofen stammt, das knapp 50 Kilometer entfernt von Kluftingers Heimatort Altusried liegt. Ob in der Tracht der örtlichen Blaskapelle oder im Janker mit Hirschknöpfen, das passt. In der heimischen Mundart läuft Knaup zur Höchstform auf: „Es ist wie nach Hause kommen“, sagte er bei den Dreharbeiten im Oktober 2011. Aber auch sein Mienenspiel ist einmalig. Wenn er seinen Untergebenen „Richi“ Maier den Marsch bläst oder wenn er mit einem Milchbauer – dargestellt von Knaups Bruder Karl – ringt, dann spürt der Zuschauer, wie die Luft zu brennen beginnt.

Rainer Kaufmann und die Kamera von Klaus Eichhammer kontrastieren die Landschaftsidylle von grünen Wiesen vor der Alpenkulisse mit Blicken in die bescheidenen Wohnzimmer und Küchen des Allgäu – und das zudem aus ungewöhnlichen Perspektiven. So urig die Region und so komisch manche Tradition aus der Ferne wirkt, am Schluss geht es doch um Mord und andere ernste Themen. Dazu gehört auch der Existenzkampf der einheimischen Milchbauern gegen die Übermacht der Lebensmittelkonzerne. Man darf sich hoffentlich auf weitere Kluftinger-Krimis im Ersten freuen.

„Milchgeld. Ein Kluftingerkrimi“, ARD, 20 Uhr 15

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