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Medien: „Knock-out für Mr. Danger“

Die Bush-Gefahr: Wie Venezuelas Präsident die Medien beherrscht

„Einen Applaus für unsere Fußballnationalmannschaft!“, ruft Venezuelas Präsident Hugo Chávez animiert in die Fernsehkameras und fügt hinzu: „Und wenn wir im Viertelfinale der Copa America auf die USA treffen, gibt es einen Knock-out für Mr. Danger“, wie er George W. Bush zu nennen pflegt. Dann geht der begnadete Showmaster im roten Hemd nahtlos zur Politik über, verkündet hinter seinem Schreibtisch eine Währungsreform und droht Spekulanten mit Gefängnis. Er hält bunte Grafiken in die Kamera und illustriert, wie der Preis für Fleisch und Eier sprunghaft gestiegen ist. „Völlig ungerechtfertigt, das werde ich nicht dulden“, schimpft er mit erhobenem Zeigefinger. Chávez’ Sendung „Aló Presidente“ ist so eine Art Tele-Regierung und Pflichtprogramm für jeden, der wissen will, wohin Venezuela steuert. Inzwischen ist der Staatschef jeden Abend um acht im staatlichen Radio zu hören und donnerstags im Staatskanal zu sehen – auch in diesen Tagen, da „Mr. Danger“ George W. Bush Lateinamerika bereist und sich dann medial auch den Präsidenten von Venezuela antun wird.

Chávez’ jüngster Coup war ein Telefonat mit seinem Freund und Vorbild Fidel Castro, das im Hörfunk ausgestrahlt wurde. Die beiden sprachen 25 Minuten lang über den Gesundheitszustand des erkrankten kubanischen Revolutionsführers, natürlich auch über Politik und Pläne: Chávez will mit vietnamesischer Beteiligung auf Kuba eine Fabrik zur Herstellung von Energiesparlampen bauen lassen.

„Aló Presidente“ suggeriert Bürgernähe, ist aber vor allem die ausgeklügelte Ein-Mann-Show eines begnadeten Polit-Entertainers, der um die Macht der Medien weiß und diese für sich zu nutzen versteht. Es waren die Medien, die den Oberstleutnant 1992 auf die politische Bühne katapultierten, als er die Verantwortung für den Putschversuch übernahm und sein Vorhaben „momentan“ für gescheitert erklärte. Ein Satz, der ihn berühmt machte und den Grundstein für seinen Wahlsieg 1998 legte. Schon bald danach kam es zum Bruch, als Chávez sich daranmachte, sein Versprechen von einer sozialistisch angehauchten bolivarischen Revolution umzusetzen. Je kritischer die bürgerliche Presse berichtete, desto gezielter modelte Chávez die Staatsmedien zu einer Propagandamaschine um. Chávez teilte das Land in Freund und Feind ein – eine Spaltung, die auch die Medien widerspiegeln. Die privaten Medien erklärte er in seiner militärischen Logik und mangels einer ernsthaften politischen Opposition zum neuen Feindbild.

Beide Seiten übertreffen sich an Geschmacklosigkeiten. Pressefreiheit und journalistische Ethik bleiben auf der Strecke. Aggressivität, Rassismus und Zynismus zogen ein in die Berichterstattung. Anonyme Quellen, schlecht recherchierte Anschuldigungen sowie Interviews wurden zu bevorzugten Techniken. Ernsthafter, ausgewogener Journalismus findet praktisch nicht statt. Presse-Kommentatoren bezeichneten den mehrfach in Wahlen bestätigten Staatschef als Diktator und druckten ihn in Hitlerpose mit Hakenkreuz auf Titelseiten. Chávez-Anhänger verwüsteten Studios, griffen Reporter an. Im staatlichen Fernsehen werden Oppositionelle ausspioniert und verleumdet. Redakteure bei regierungsnahen Zeitungen wie „Ultimas Noticias“ arbeiten eigenen Angaben zufolge mit der Schere im Kopf. Wenn der Regierung eine Überschrift nicht passt, gibt es böse Anrufe oder Rügen in „Aló Presidente“.

Höhepunkt waren der Putsch und der Erdölstreik gegen Chávez vor fünf Jahren. Wer damals Venezuela besuchte und sich im Fernsehen über den Gang der Dinge informieren wollte, bekam zwei verschiedene Welten geliefert: Wer den staatlichen Kanal 8 einschaltete, für den funktionierte das Land normal weiter, er sah, wie der Präsident Kinder herzte und verkündete, der Streik sei gescheitert. In den privaten Sendern Globovision, RCTV und Venevision wurden Massendemonstrationen gegen den Präsidenten gezeigt, vor Anker liegende Öltanker und Schlangen vor den Tankstellen.

Das nimmt Chávez den Privatsendern übel. Er hat angekündigt, die auslaufende Lizenz von RCTV nicht zu verlängern und die Frequenz einem regierungsfreundlichen Medium zu geben. Ein Präzedenzfall in Lateinamerika, der die Organisation amerikanischer Staaten auf den Plan ruft. Für Generalsekretär Jose Miguel Insulza handelt es sich um eine Einschränkung des Pluralismus. In die gleiche Richtung geht die von einem Gericht verhängte Strafe in Millionenhöhe für die Zeitung „Tal cual“ wegen eines in humoristischem Ton verfassten Kommentars, dessen Adressat Chávez Tochter Rosines war. „Eigenständiges Denken wird zum Verbrechen“, kritisiert der Soziologe Tulio Hernandez und vergleicht in einem Kommentar Chávez’ Regime mit einer Boa, die ihr Opfer in den Würgegriff nimmt und nach und nach erdrosselt.

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