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Wie konnte das geschehen? Kommissar Schenk (Dietmar Bär) geht als Vampir, während Kollege Ballauf (Klaus J. Behrendt, li.) nur widerwillig die Pappnase trägt.

© WDR/Thomas Kost

Kölner "Tatort" zum Karneval: Kamellen-Zombies und Tanzmariechen

"Wir haben doch nur uns und den Karneval": Der Kölner "Tatort" gibt sich mit einem Mordfall in der Tanzgarde recht ketzerisch. Sogar die Currywurst am Dom fällt weg.

Freddy Schenk und Max Ballauf, die Großstadtcowboys, sind sicher die letzten Aufrechten unter den „Tatort“-Kommissaren. Wenn die zum Karneval statt „Viva Colonia“ „Bekloppte gibt es überall“ rufen, dann meinen die das auch so, und man muss sich schon ein bisschen mit den Gepflogenheiten und dem Selbstverständnis in Köln zur fünften Jahreszeit auskennen, um zu verstehen, was das hier für ein ketzerischer Krimi ist. Mitten aus dem Herzen der Stadt, in der ein Kind pünktlich zum 11.11. per Kaiserschnitt aus dem Bauch geholt und aus Liebe zum Karneval jetzt sogar gemordet wird.

So geschehen mit der Trainerin der Tanzgarde „De Jecke Aape“. Die liegt erschlagen am Boden. Unter Verdacht steht Rainer Pösel, der der Trainerin die Schuld am Selbstmord seiner 16-jährigen Tochter gibt. Dieses Mädchen war dem Leistungs- und Auswahldruck des Karnevalstreibens offenbar nicht mehr gewachsen und sprang von einer Rhein-Brücke in den Tod.

Die jungen Frauen betreiben einen unbezahlten Hochleistungssport, in dem es höchstens Pokale zu gewinnen gibt, angetrieben vom Vereins-Präsidenten Günther Kowatsch (Herbert Knaup). In Kowatschs heimlichem Reich ist von Harmonie und Gemeinschaft denn auch wenig geblieben. Zwei Tänzerinnen liefern sich einen imposanten Zickenkrieg um die Position des ersten Tanzmariechens. Im fröhlichen Treiben mit Sitzungen, Feiern und Umzügen wird nichts dem Zufall überlassen, Mobbing inklusive. Hetze überall. Das zerrt an Physis und Psyche.

„Tatort“-Vielschreiber Jürgen Werner will einen kritischen Blick hinter die Kulissen der institutionalisierten Fröhlichkeit werfen, wobei ihm aber die Kritik an manchem Karnevals-Klischee als Klischee selbst durchgeht. Das ist dann doch schon zu oft gesehen und gehört, die Sprüche zwischen Karnevals-Muffeln und -Fanatikern, die roten Nasen, dazu spießige Schwulen-Witzchen im Halbernst, weil Assistent Tobias Reiser (Patrick Abozen) von den Kollegen Schenk und Ballauf im Kommissariat beim Knutschen mit seinem Freund erwischt wird. Au weia.

Karneval als Familien-Kitt?

Kurz: Ein leidlich spannender, routiniert inszenierter Whodunit-Krimi (Regie: Thomas Jauch) mit übersichtlicher Verdächtigen-Schar, der Karnevals-Hasser im Grunde von vornherein vorm TV ausschließen dürfte. Sogar der Köln-„Tatort“-obligatorische Currywurst-Verzehr der Kommissare am Ende, mit Blick auf den Dom, fehlt. Großstadtcowboys, vom Glauben abgefallen.

Was bleibt? Manche Primetime-Krimis verstecken eine größere Geschichte. Das Interessante hinter all dem Jecken-Gewese ist das Porträt dieser schier sprachlosen Kölner Kleinbürger-Familie Pösel, der man dringend eine Paartherapie anraten möchte. An der offenbaren Ehe-Tristesse ist ja nicht nur Köln und der Karneval schuld.

Der Vater (scheinbar dumpf, großartig: Tristan Seith) liebt den Karneval mehr als sein Leben und möglicherweise auch seine Frau. Mutter Martina (Milena Dreißig) steht fassungslos daneben, trauert noch um ihre tote Tochter und hört ihren Mann sagen: „Wir haben doch nur uns und den Karneval.“ Warum eigentlich? Karneval als Familien-Kitt?

Den Eltern hat der Karneval bereits ein Kind genommen, und der Vater hat nichts Besseres zu tun, als seinen offensichtlich überforderten Jungen in die Schlacht an der Nachwuchs-Bütt zu werfen, damit er es in die Köln-Arena schafft. Wenn aus dem schüchternen Sohn nicht ein grandioser Büttenredner wird, ist er halt ein Loser. Bekloppte überall.

Da hat es Schenks Enkelin besser. Mit ollen Kamellen hat die nichts am Hut. Das Mädchen lehnt das glitzernde Prinzessinnenkostüm ab, das Opa für sie gekauft hat. Sie möchte viel lieber als Zombie gehen.

„Tatort: Tanzmariechen“, Sonntag, ARD, 20 Uhr 15

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