Medien: Kohl-Trauerfeier: Wie betäubt
Eine kräftige Sonne und die wandernden Schatten der Regenwolken bestimmten das Licht im Kaiserdom zu Speyer, als sich die Trauergemeinde versammelte und den Gottesdienst für Hannelore Kohl feierte. "Siehe, ich will alles neu machen", hieß es in der Lesung.
Eine kräftige Sonne und die wandernden Schatten der Regenwolken bestimmten das Licht im Kaiserdom zu Speyer, als sich die Trauergemeinde versammelte und den Gottesdienst für Hannelore Kohl feierte. "Siehe, ich will alles neu machen", hieß es in der Lesung. Diese Worte aus der Offenbarung des Johannes sollten die Stunde prägen. Zuvor hatten die Anwesenden nach Bachschen Klängen gesungen: "Trau des Himmels reichem Segen, so wird er bei dir werden neu."
Zum Thema Dokumentation: Die Predigt von Monsignore Ramstetter zur Trauerfeier Fotostrecke: Aus dem Leben von Hannelore Kohl Porträt: Hinter der Mauer Von zehn Uhr morgens an hatten sich die Menschen vor dem romanischen Dom in der Speyerer Innenstadt versammelt. Zwischen ihnen Kamerateams der Fernsehanstalten; sie durften nicht in den Dom. Um zwölf Uhr strömten die Trauergäste in das lang gezogene, wegen Bauarbeiten auf der linken Seite verschalte Kirchenschiff. Nach wenigen Minuten war es überfüllt. Betagte Ordner vom Kolpingwerk hatten viel zu tun, die Bankreihen für die Geladenen freizuhalten.
Bedeckt mit roten Rosen
Um halb zwei kam Helmut Kohl in den Dom, begleitet von seinen beiden Söhnen, deren Frauen sowie weiteren Familienangehörigen. Rasch kam er herein, zu rasch, wie es schien, für die anderen. So blieb er nach etlichen Schritten stehen und wartete - ein wenig unsicher, ein wenig der besorgte Führer dieser kleinen Gruppe - in einiger Entfernung von dem Altar, wo seine verstorbene Frau aufgebahrt war: in einem geschlossenen Sarg, bedeckt mit roten Rosen und umgeben von zahlreichen Kränzen, zuhöchst und in der Mitte solchen mit der schwarz-rot-goldenen Binde. Ein Staatsbegräbnis?
Danach sah Kohl nicht aus. Eher wirkte er wie der Patron eines lang herrschenden und weit verzweigten Unternehmens, der in dieser Stunde weiß und nicht mehr verbergen kann, dass er auf dem letzten Abschnitt seines Weges sich befindet. Jetzt schob er sich weniger vor als wohl zu anderen Zeiten, jetzt wirkte sein Gesicht wie betäubt und zugleich anders - wie aufgelöst von langen Stunden des Weinens. Sein Körpergewicht schien ihn niederzudrücken. Doch bald schon hatte sich der kleine Zug wieder in der Bewegung zum Altar hin zusammengefunden. Und Kohl schritt durch das schmale Spalier von Freunden, Gästen, Neugierigen.
Die engeren Freunde waren schon vorher eingetroffen. Sie hatten sich zuvor im Restaurant "Deidesheimer Hof" versammelt. Zu ihnen gehörte der CDU-Fraktionsvorsitzende Friedrich Merz, aber auch Traudl Herrhausen, die Frau des von Terroristen ermordeten Bankiers Alfred Herrhausen. Angela Merkel war allein gekommen, ebenso - sehr früh - Claudia Roth von den Grünen. Es war eine denkwürdige Ansammlung von Weggefährten, die dort zusammenkamen: der frühere Bundespräsident Roman Herzog, die Freifrau von Berlichingen an seiner Seite, der Europäer Romano Prodi, die Bürgerrechtskämpferin Bärbel Bohley, natürlich Hans-Dietrich Genscher und eine Abordnung aus St. Gilgen - der Bürgermeister, der Konditormeister, der Polizeichef der kleinen Gemeinde am Wolfgangsee, in der die Kohls seit vielen Jahren Urlaub zu machen pflegten.
Spät hatte Christina Rau, die Frau des Bundespräsidenten, den Dom betreten. Zusammen mit ihr waren Bundeskanzler Schröder und seine Frau Doris gekommen. Aber sie kamen nicht als Letzte. Als Letzter, bevor die Schelle zu Beginn des Gottesdienstes ertönte, kam einer der ältesten Freunde und politischen Mitkämpfer Kohls: der thüringische Ministerpräsident Bernhard Vogel, einst zusammen mit dem Witwer Student im Heidelberger Seminar Dolf Sternbergers; dann Kultusminister im Mainzer Kabinett Helmut Kohls, das vor 30 Jahren das politische Deutschland in Staunen versetzte; dann sein Nachfolger als Regierungschef in Rheinland-Pfalz. Von allen Gästen war sein Gesicht am tiefsten vom Schmerz gezeichnet. Es war auch ein wenig deutsche Geschichte in der Biografie Helmut Kohls, die hier im Speyerer Dom zu Teilen sichtbar wurde: Kurt Biedenkopf mit Frau und ebenso Manfred Kanther, Dagmar Schipanski und Waldemar Schreckenberger, Volker Rühe und Rita Süssmuth. Von der CSU Stoiber, Seehofer, Glos.
Sechs Geistliche zelebrierten die Totenmesse. Von den Brüdern Ramstetter hielt der Freund der Familie, Monsignore Erich Ramstetter, die Predigt. Mit einer immer wieder von Trauer bewegten, gelegentlich erstickten Stimme sagte der Geistliche zum Sterben Hannelore Kohls: "Die Fülle des Leidens hat sie diesen Schritt auf den liebenden, unbegreiflichen Gott hin vollziehen lassen." Und, wenig später: "Wer die Dunkelheit nicht liebt, sehnt sich nach dem Licht. Hannelore Kohl hat sich nach dem unvergänglichen Licht gesehnt, nicht nach den untergehenden Sonnen."
Giuseppe Verdi, Joseph Haydn und Felix Mendelssohn-Bartholdy gaben dem Trauergottesdienst den musikalischen Rahmen. Den Abschluss jedoch bildete wieder die Trauergemeinde, diesmal mit dem Lied "Nun danket alle Gott". Dem Kruzifix folgend, wurde der Sarg der Verstorbenen zum Hauptaltar gefahren. Dahinter gingen die Familienangehörigen, Helmut Kohl mit verlorenem Blick, die Söhne Peter und Walter heftig weinend. Es weinten viele, die ihnen folgten und in den Sommertag nach draußen gingen. Es war eine Trauerfeier des Zusammenrückens und des Trostes. Der schwerste Teil lag noch vor der Familie, die Bestattung auf dem Friedhof von Ludwigshafen-Friesenheim. Dies blieb der Familie vorbehalten.