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"Das neue Blatt"

© Repro: Tsp

Kolumne "TOPF VOLL Gold": Andeutung statt Aufklärung

An den Todesumständen von Udo Jürgens gab es bislang keine Zweifel. Doch die Klatschpresse weiß offenbar mehr - oder erweckt zumindest diesen pietätlosen Anschein.

Zwei Täuschungsmanöver muss die Redaktion eines jeden Knallblatts ganz besonders gut beherrschen: so tun, als wüsste sie mehr, als sie eigentlich weiß. Und: so tun, als wüsste sie weniger. Klingt umständlich, ist mit ein bisschen Übung aber total simpel. Nehmen wir zum Beispiel die Schlagzeilen über Udo Jürgens.

Der Sänger ist im vergangenen Dezember an akutem Herzversagen gestorben – zumindest lautet so die offizielle Version. „Das neue Blatt“ gibt jedoch vor, über andere Informationen zu verfügen, und verspricht auf der aktuellen Titelseite exklusives Jürgens-Material: „Woran er wirklich starb“.

Woran er „wirklich“ starb, erfährt man im Text dann aber doch nicht. Nur, dass „spanische Mediziner“ herausgefunden haben sollen, dass ein Herzversagen „zum Beispiel“ auch von „Medikamenten und Aufputschmitteln“ ausgelöst werden kann. Den Rest soll sich der Leser selbst zusammenreimen. Statt gesicherter Fakten gibt es abenteuerliche Andeutungen, aber das reicht dem „neuen Blatt“ schon, um auf dem Cover den investigativen Aufklärer zu spielen. So viel zur Mehr-Wissen-Variante.

„Die neue Frau“ dagegen gibt sich auf ihrer Titelseite ganz unwissend und fragt entsetzt: „Was hat die Familie nur mit seiner Urne gemacht?“ Dabei kennt sie die Antwort schon längst: Ein Friedhofsmitarbeiter hat ihr nämlich verraten, dass die Urne im Urnendepot des Zentralfriedhofs steht. Also da, wo sie hingehört. Aber das hätte sich als Schlagzeile natürlich nicht so gut gemacht. Dann doch lieber Skandal: „Wie bitte?“, keucht das Blatt. „Man hat einen der größten Künstler unserer Zeit also einfach zwischengelagert?“ „Herzlos“ sei das, „einfach nur traurig und beschämend“.

Sollte der Sänger nun vom Himmel hinabblicken, werde er „wohl nur mit dem Kopf schütteln“, schreibt „Die neue Frau“ und hat damit wohl ausnahmsweise mal recht.

Mats Schönauer

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