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Kommentar: Maßlose TV-Trauer

Nach dem Tod von Robert Enke übernimmt das Fernsehen die Trauerarbeit, als sei das der Auftrag des Fernsehens. Auf dem Bildschirm sind Tränen und echte Anteilnahme zu sehen. Das Maß geht verloren.

Welche Worte? Und zu welchem Zweck? Dass man fassungslos sei, dass man es nicht begreifen könne, dass man gerne eine Antwort hätte – aber auf welche Frage? Und welche Bilder? Die weinenden Fans, der weinende Bierhoff, der weinende Pocher.

Ein Mensch ist tot, und weil wir ihn aus dem Fernsehen kannten, übernimmt das Fernsehen die Trauerarbeit, als sei das der Auftrag des Fernsehens. Das ist er nicht, und es wird auch nicht dadurch besser, dass die Tränen echt sind und die Anteilnahme auch – und der Erkenntnisgewinn wächst auch nicht durch die Wiederholung der immer gleichen Worte, der immer gleichen Fragen, der immer gleichen Bilder: Am Mittwoch übertrugen ARD, NDR und N 24 die Trauerfeier in Hannover, das ZDF brachte ein Spezial mit dem Titel „Trauer um Robert Enke“. Die ARD sendete spätabends das halbstündige Porträt „Robert Enke – Tragödie eines Torwarts“, im NDR wurden Trauerarbeit und Porträt angeboten. Und in Sat 1 gab es kurz nach 23 Uhr eine Sondersendung von „Kerner“, dort weinte am Ende Robert Enkes Torwarttrainer, nachdem der die letzten Tage des Robert Enke hatte erklären müssen und auch, wie er sich jetzt fühle. Kann es nicht sein, dass es Dinge gibt, die niemanden etwas angehen?

Ein Bild hätte gereicht: Teresa Enke, die Witwe, bei der Pressekonferenz. Ihre Worte hätten gereicht. Als sie davon sprach, wie sie versucht hat, ihrem Mann beizustehen, ihm Perspektiven für ein Leben nach dem Fußball zu zeigen. Als sie von der Angst ihres Mannes sprach, die Angst davor, dass alles rauskommen könnte. Als sie dann noch sagte: „Aber die Zeit während der Depressionen, die war nicht einfacher. Wir haben das durchgestanden, weil wir schon mal eine Zeit nach Istanbul und Barcelona durchgestanden haben. Und auch mit Doktor Marksers Hilfe einfach so viel Hoffnung daraus gezogen haben, was wir alles schaffen können. Auch nach Laras Tod. Das hat uns einfach so zusammengeschweißt, dass wir gedacht haben, wir schaffen alles und mit Liebe geht das. Aber, man schafft es doch nicht immer.“

Keine Fragen. Keine Antworten. Keine Sondersendungen.

Am Mittwoch hat das Fernsehen jedes Maß verloren.

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