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Die Geigenlehrerin und der brotlose Künstler. Clara (Martina Gedeck) und Jarek (Manuel Rubey) kommen sich näher.

© BR

Komödie mit Martina Gedeck: Unter Taugenichtsen

Eine Welt, die man nicht vollständig mit Geld in Besitz nehmen kann und die es trotzdem gibt: Ein Fernsehfilm von Michael Hofmann verjagt den Kriminebel vom Schirm.

Der Zeitgeist geht – kalau – hin und wieder zur Post. Da liegen dann Abschiedsbriefe. Postmodern, postfaktisch (Wort des Jahres) und nun vielleicht, zumindest im fiktiven Fernsehen, postkriminell? Zu den Sendungen der vorweihnachtlichen Fernsehsaison, die Hoffnung auf neue Zeiten machen, gehört nach der Fortsetzung des Ulla Hahn’schen Niederrheinepos „Aufbruch“ auch dieser Film mit prominenter Besetzung (Martina Gedeck, Katharina Schüttler, Manuel Rubey und die elfjährige Geigenvirtuosin Allegra Tinnefeld). Kein Böser meuchelt, kein Kommissar hetzt, keine Leiche macht Angst. Die postkriminelle TV-Post befördert mit „Seit Du da bist“ Poesie, richtiges Leben in der Tageshektik, Widerstand gegen den Terror der Zwecke.

Der von Michael Hofmann (Buch und Regie) kreierte Taugenichtsheld Jarek (Manuel Rubey) fährt nicht Kutsche, sondern einen Motorroller. Wir sehen ihn in den ersten Bildern ziemlich lange durch Wien kurven und vermuten erst eine bei österreichischer Produzentenbeteiligung obligate Touri-Werbung. Aber das Gefährt steht als Symbol für die bequemste Fortbewegung eines Flaneurs, wie es der mittellose Maler Jarek ist. Bewegung mag er, aber nicht das Vorankommen zu einem Ziel. Denn er ist längst angekommen. Er muss das aber erst begreifen. Hofmanns Film handelt nicht vom Glückserwerb, sondern vom Glücksbesitz.

Außerdem kann sich der Aushilfskellner im „Club der polnischen Versager“ ein Auto nicht leisten. Als seine Ex-Freundin Alina (Katharina Schüttler) ihn als Chauffeur engagieren möchte, damit er ihre Tochter Lilia (Allegra Tinnefeld) nach der Schule zur Geigenlehrerin Clara (Martina Gedeck) transportieren möge, sagt der brotlose Maler nein.

Kurze Zeit später sieht man Jarek mit der geigenbeladenen Lilia in das vornehme Heim der Lehrerin knattern. Was der Held, soll das heißen, nicht will, das tut er. Was er wollen könnte und sollte, tut er nicht: nämlich Karrierechancen wahrnehmen.

Jarek ist kein Geldsklave

Claras Gatte ist erfolgreicher Galerist (Robert Palfrader), aber ein Arsch. Ein eifersüchtiger Grobian, der sieht, wie sich seine Frau mit den drei Kindern und der malende Kindertransporteur anfreunden. Der Galerist möchte Jarek aus seinem Haus herauskaufen, bietet dem Unbekannten Ausstellungskontakte an.

Aber Jarek ist kein Geldsklave. Seine künstlerische Begabung und seine Sehnsucht, sie frei zu entfalten, sind unverkäuflich. Talent hat seine eigene Reifezeit, es kann nicht durch Äußeres hervorgezwungen werden. Diese innere Treue stört alle, die mit Jarek kalkulieren und Geld verdienen wollen.

Das Sensationelle an diesem Film rührt von dem, was Kant als Schönheit definiert: von einem allgemeinen Wohlgefallen ohne alles Interesse. Es ist nicht die Erwartung von Sex, die Jarek und die deutlich ältere Clara zueinanderbringt, es ist die Achtung vor der Himmelsmacht Kunst. Klingt pathetisch, ist aber in diesem Film charmanteste Wirklichkeit.

Die Feier zweckfreien Lebens verstärkt das geigende Mädchen Lilia. So etwas Hinreißendes wie die Wiener Musikertochter Allegra Tinnefeld sieht man selten im Fernsehen. Rotzlöffel, altkluge Aufpasserin auf die Idiotien der Erwachsenen, fanatisch eigensinnige Kunstarbeiterin und zugleich noch ein liebesbedürftiges Kind, das nicht einschlafen kann, wenn die Mutter Party macht und das Kuschelschwein fehlt.

Was Lilia über ihren Motorroller-Chauffeur Jarek sagt, ist keiner kindlichen Provokationslust zuzuschreiben, sondern oft nichts als die Wahrheit. Der Maler, dessen künstlerischer Erfolg von kindlicher Scheu gebremst wird und Lilia, deren überkindliche Entschlossenheit sich im Geigenspiel vor Publikum deutlich zeigt, werden glaubhaft Partner. Die Kindliche kann, was der Erwachsene noch lernen wird. Wie auf den Gemälden des romantischen Malers Runge setzt die Kamera (Jo Molitoris) Kinder nicht als süße Gute-Laune-Bringer ins Bild, sondern als Weisheitsbesitzer.

„Seit du da bist“ – das Produkt jahrelanger Drehbucharbeit zwischen Autor und der unterstützenden Arbeit der BR-Redakteurin Claudia Simionescu – zeigt gelassen, witzig und zugegeben ein bisschen nostalgisch wienerisch alternative Wege zum Glück. Und vertraut einer Welt, die man nicht vollständig mit Geld und purem Ehrgeiz in Besitz nehmen kann und die es trotzdem gibt.

„Seit Du da bist“, Mittwoch, ARD, 20 Uhr 15

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