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Medien: Kratzen und Kuscheln in Köln

Das Land NRW ist drauf und dran, das Fernsehfestival „Cologne Conference“ zu verlieren

Leise ein Kinderlied singend, bereitet Medea zu Hause die Fläschchen für die beiden Babys vor. Währenddessen stürmt Jason aus seinem Büro durch den Pulk wartender Journalisten, besteigt sein Auto und versucht während der Fahrt per Handy Kontakt zu Medea aufzunehmen – vergeblich. Um zu retten, was nicht mehr zu retten ist, lässt Jason, der designierte Ministerpräsident, sogar die Königin warten. Es scheint so, als sollte der Tag, an dem sein politisches Ziel in Erfüllung geht, zugleich der Tag eines großen Unglücks werden.

In den Niederlanden ist zu Beginn des 21. Jahrhunderts aus dem griechischen Helden Jason ein machtgeiler Emporkömmling geworden, ein junger, blendend aussehender Fiesling. Und die schöne Medea ist keine Königs-, sondern eine Ministertochter. Die antike Legende von Medea, die aus Rache die eigenen Kinder tötet, hatte der im November 2004 ermordete Filmemacher Theo van Gogh als ambitionierte, sechsteilige Fernsehserie wiederaufgelegt, als politisches Ränkespiel und Gesellschaftskritik, filmisch auf hohem Niveau inszeniert. Van Goghs letzte Arbeit ist einer der Höhepunkte des Kölner Fernsehfestivals „Cologne Conference“, das am Wochenende zum 16. Mal herausragende internationale Produktionen in zwei Top-Ten-Reihen (Fiction, Non-Fiction) vorstellt. „Medea“ und die Dokumentation „Fokus Pokus €uromatik“ über die Saisonarbeiter auf dem Wiener Prater, eine Co-Produktion aus Österreich, Bulgarien und Serbien, erhalten die beiden Hauptpreise des Festivals, das im Rahmen des Medienforums NRW veranstaltet wird.

In Köln feierten schon Kultprogramme wie „24“, „Cracker“, „Emergency Room“ und „Twin Peaks“ Premiere in Deutschland. Hier waren Trends zu entdecken, die bald auch den heimischen Markt beeinflussen sollten. So zeigt sich in der Auswahl dieses Jahres, dass Serien nicht nur in den USA mit hohem Aufwand und beinahe cineastischer Qualität gedreht werden. Aus Schweden und Dänemark stammt „The Commission“, eine elfteilige Serie, die die politischen Folgen eines Terroranschlags auf die Stockholmer Innenstadt durchspielt. Die USA ist diesmal durch die ungewöhnliche Gefängnisserie „Prison Break“ des Murdoch-Senders Fox vertreten. Auch hier dient die Politik als Folie für einen düsteren und spannungsreichen Stoff.

In der Top-Ten-Reihe Fiction ist die Jury diesmal nur in Großbritannien, USA, Skandinavien und den Niederlanden fündig geworden. Das heißt: Mit dem WDR-Film „Wut“ stand durchaus eine deutsche Produktion „auf der Liste von Filmen, die wir gerne gesehen hätten“, sagt Lutz Hachmeister, dessen Beratungsfirma HMR die „Cologne Conference“ organisiert. „Wut“, fürs ARD-Programm im Herbst vorgesehen, dürfte zu den meistdiskutierten Fernsehfilmen des Jahres werden. Der neue Film von Züli Aladag („Elefantenherz“) erzählt die Geschichte einer liberalen Mittelschichtfamilie, die dem Terror einer türkischen Jugendgang ausgeliefert ist.

„Wut“ wird an diesem Wochenende in Köln aufgeführt, denn die vom Land NRW und der Stadt mit insgesamt 400 000 Euro gesponserte „Cologne Conference“ hat im eigenen Lager Konkurrenz bekommen: das ebenfalls unter dem Dach des Medienforums angesiedelte Festival „Großes Fernsehen“. Die Regierungskoalition von CDU und FDP kürzt die Mittel im Medienetat und will auch die Förderpolitik auf eine gezielte Unterstützung regionaler Unternehmen konzentrieren. Da scheint die international ausgerichtete „Cologne Conference“ nicht mehr recht ins Bild zu passen.

Ganz im Einklang mit der neuen Linie verhält sich der Westdeutsche Rundfunk (WDR). Als Spiegel TV von der HMR in diesem Jahr als Titelsponsor für die „Cologne Conference“ mit ins Boot geholt wurde, hielt dies der WDR – im Gegensatz etwa zum ZDF – für nicht zumutbar und stieg aus. So lautet jedenfalls die offizielle Version. Ein Jahr vor der Intendantenwahl beim WDR schießen nun die Spekulationen ins Kraut: Dass SPD-Mitglied Fritz Pleitgen von der CDU zum Weitermachen als WDR-Chef bewegt werden könnte, damit die Union in aller Ruhe den sozialdemokratisch dominierten Rundfunkrat „umbesetzen“ könnte, erscheint als nicht sehr wahrscheinlich. Nicht zu übersehen ist freilich, dass sich Union und WDR auf Kuschelkurs befinden. Mit dem Gebührenkritiker Peer Steinbrück (SPD) war Pleitgen in dessen Zeiten als Ministerpräsident kräftig aneinander geraten. Nun will man den konservativen Landeschef Jürgen Rüttgers, der fest zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk steht, nicht vergraulen. Zufällig ist der WDR beim „Großen Fernsehen“ der einzige große Sender, der das deutlich preiswertere Festival mit beachtenswerten Premieren schmückt: mit „Wut“ und auch mit der Dokumentation „Lost Children“, die gerade einen Deutschen Filmpreis gewonnen hat. Die anderen Sender schicken Kassetten von längst versendeten Filmen (ZDF/ „Dresden“, RTL/„Die Sturmflut“, Sat 1/ „Die Luftbrücke“).

Nach dem „Medienforum“ will die Landesregierung entscheiden, welches der beiden Festivals weiter unterstützt wird. Gut möglich, dass der einst ehrgeizige Medienstandort NRW eine weitere renommierte Marke verlieren wird und sich zusehends provinzialisiert. Lutz Hachmeister will die „Cologne Conference“ allerdings auch ohne Landesförderung fortsetzen. Entweder werde sie vom Medienforum in Köln getrennt veranstaltet, oder das Festival ziehe um, sagt er. Als Standorte kommen Hamburg oder Berlin in- frage.

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