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Echt nervös. Kommissar Jan Fabel (Peter Lohmeyer) sieht bald Mörder, wo sie gar nicht sind. Foto: ARD

© ARD Degeto/Tivoli Film/Georges P

Krimi am Samstag: Böser Wolf

Märchen und Mörder: Peter Lohmeyer begibt sich als Kommissar Jan Fabel auf die Fährte eines Serienmörders. Ein Lehrer mit Neigung zu jungen Mädchen ist jedoch nicht der einzige Verdächtige.

Die Hexe ist verhindert. Aber der Ofen wartet schon, und Hänsel vertreibt sich die Zeit mit Morden. Seinen Opfern steckt er kleine Zettel zu. „Sucht mich, sucht mich, findet mich bald. Ich bin die Katz’ und die Eule im Wald. Kommt mir zu nahe, werdet ihr Stein, nur eine Blume mein Ende kann sein“, steht auf dem Papier, das die tote Frau am Elbstrand in ihren Händen hält. Ein Zitat aus „Jorinde und Joringel“. Hänsel kennt seine Brüder Grimm. Er trägt sie sogar immer bei sich.

Der moderne Märchenwald ist eine Großstadt, in diesem Fall Hamburg. Die Hansestadt ist Schauplatz des ARD-Krimis „Wolfsfährte“, in dem sich ein Serienmörder von den Geschichten der Brüder Grimm inspirieren lässt.

Manchmal wirkt die blutige Handlung wie an den Wolfshaaren herbeigezogen, doch der Schweizer Regisseur Urs Egger und die Kamera von Martin Kukula sorgen für eine schön gruselige Atmosphäre, ohne es mit dem Mystery-Brimborium zu übertreiben. Bis zum Finale darf man rätseln, wer hier der böse Wolf ist.

Pech für diejenigen, die bereits den Roman von Craig Russell gelesen haben. Der schottische Autor ist Deutschland-, speziell Hamburg-Liebhaber und hat sich die Krimi-Reihe um Kommissar Jan Fabel ausgedacht. „Wolfsfährte“ war das zweite Buch. Das erste („Blutadler“), in dem ein Serienmörder seine Vorliebe für Foltermethoden von Wikingern auslebt, erschien der ARD, die es in der Samstag-Primetime hin und wieder auch mit eigenproduzierten Krimis versucht, wohl eine Spur zu blutrünstig.

Mittlerweile gibt es fünf Fabelromane von Russell. Mehr als diese eine Verfilmung durch die ARD-Tochter Degeto ist vorerst nicht geplant. Eine Fortsetzung nennt eine ARD-Sprecherin jedoch „vorstellbar“. Sollten allerdings am Samstag die „Supertalente“ bei RTL und Carmen Nebel im ZDF den Zuschauermarkt leer fegen, wird daraus eher nichts.

Den wortkargen, verbissenen, aber auch angeschlagenen Ermittler Fabel gibt Peter Lohmeyer, was keine schlechte Wahl ist. Bei einem Einsatz war ein Kollege aus Fabels Team tödlich verletzt worden. Auch seine Mitarbeiterin Maria Klee (Lisa Maria Potthoff) schwebte in Lebensgefahr. Fabel kehrt nach einer Auszeit nun wieder zurück in den Dienst. Die Trauer, ein schlechtes Gewissen und der unbedingte Wunsch, keine Fehler zu machen, belasten den Kommissar. Reden will er darüber nicht, sondern „einfach meine Arbeit machen“. Ganz der einsame Wolf ist Fabel jedoch nicht. Er ist mit der Polizeipsychologin Susanne Eckhardt (Marie-Lou Sellem) liiert, eine Affäre mit Kollegin Klee wird angedeutet. Auch Grimme-Preisträger Hinnerk Schönemann („Mörder auf Amrum“) mischt als Polizist mit, aber ohne seinen Hang zu komischen, tollpatschigen Figuren.

Das Privatleben Fabels und seiner Kollegen wird nicht übermäßig ausgebreitet, im Mittelpunkt bleibt der Fall. Den Reigen der Verdächtigen eröffnen ein Lehrer mit Neigung zu jungen Mädchen und ein Kleinkrimineller mit Neigung zu Gewaltausbrüchen. Interessanter ist da Krimi-Autor Gerhard Weiss, der in einer mondänen Villa an der Elbe residiert und gerade das Buch „Bruder Grimm“ auf den Markt gebracht hat – was zufällig die wörtliche Übersetzung des Originaltitels von Russells „Wolfsfährte“-Vorlage („Brother Grimm“) ist.

Weiss, von Markus Boysen mit hanseatischer Eleganz und doppelbödigem Charme gespielt, spinnt darin den Gedanken weiter, die Märchen der Brüder Grimm beruhten auf wahren Begebenheiten – und Jacob Grimm sei eigentlich ein Serienmörder. „Jede Realität wird Geschichte, Herr Fabel. Und jede Geschichte wird Realität“, sagt Weiss, der übrigens mal an Lykanthropie litt – an dem Wahn, sich bei Vollmond in einen Werwolf zu verwandeln. Thomas Gehringer

„Wolfsfährte“, 20 Uhr 15, ARD

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