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Krimi: Wettfahrt mit dem Tod

Vertraute Bewohner, vertrauter Rhythmus: Aber Genre-Regisseur Lars Becker schickt seine balladesken Figuren erstmals auch aus Hamburg raus.

„Wir sind die Jungs zum Blut wegwischen, mehr nicht“, sagt Emile (Fahri Yardim), aber das ist allzu bescheiden. Er und sein Kollege Freddy (Tobias Moretti) vom Krankenwagen 2257 fahren Wettrennen mit dem Tod. Emile scheint von jeder Straßenecke aus das nächste Krankenhaus in Hamburg in spätestens fünf Minuten zu erreichen. Freddy versorgt die Verletzten, hält sie am Leben. Auch Generalstaatsanwalt Montgomery (Fritz Karl), dem gerade in die Brust geschossen wurde und dessen hochschwangere Frau (Sophie von Kessel) die Rettungssanitäter wenige Stunden zuvor ebenfalls transportiert hatten. Man kennt sich also.

Deshalb – und weil er sonst niemandem mehr über den Weg traut – drückt der sterbende Montgomery Freddy einen Schließfachschlüssel in die Hand. „Geben Sie das meiner Frau“, weist er den Sanitäter an, während er in den OP gefahren wird. Nun bekommen Freddy und Emile ein Problem, das noch gefährlicher ist, als bei Rot über die Ampeln zu rasen: Killer und korrupte Polizisten, die hinter einer Tasche voller Geld her sind.

Das nächtliche Hamburg, seine Bewohner, die Lichter und der Rhythmus, alles kommt einem vertraut vor. Kein Wunder, der Film „Geisterfahrer“ trägt die Handschrift von Autor und Regisseur Lars Becker, der hier, jenseits seiner „Nachtschicht“-Reihe, diesen Mix aus Thriller und Großstadt-Ballade freier erzählen kann. Nur Armin Rohde ist aus dem Team der ZDF-Krimireihe dabei. Er spielt den Staatsanwalt, der nach der Ermordung seines Chefs im Fall um Waffenhandel und Korruption ermittelt. „Ich kriege höchstens mal Kaffee spendiert“, erklärt ihm Freddy trocken. Vom Schlüssel erzählt er nichts. Die Sanitäter haben sich verdächtig gemacht, weil sie mit dem angeschossenen Montgomery nicht hinterm Auto des Personenschützers herfuhren, sondern eine eigene Route wählten – um schneller im Krankenhaus zu sein. Beckers kleine, bisweilen absurden Nebengeschichten wirken wie dem Leben abgeschaut. Zugleich verliert er den Handlungsbogen nicht aus den Augen. Freddy und Emile helfen in einer Fabrik einer gefallenen Arbeiterin. Später werden sie zu ihr nach Hause gerufen, weil ihr Mann sie schlägt. Dann erstickt ihr Kind fast an Chicken Wings. Misel Maticevic hat als brutaler Ehemann schillernde Auftritte. Ebenso wie Martin Brambach als Personenschützer Montgomerys. Nebenschauplatz ist Genua, da fühlt sich Becker erkennbar weniger zu Hause. Dafür verlegt er sich auf Genre-Zitate, lässt den italienischen Gangster gelassen vom Espresso an der Theke aufstehen und zum Münztelefon an der Straße schlendern, weil er den Anruf des von ihm beauftragten Killers erwartet. Neben ihm an der Theke sitzt Uwe Ochsenknecht, der den Waffenhändler auf fröhliche Ochsenknecht-Art spielt.

Noch schöner ist der Auftritt von Julia Dietze als Schlesingers angebliche Frau Lola. Sie stöckelt im kurzen Rock durch Genua, Hände voller Einkaufstaschen – und hat gerade ihren Liebsten an die Polizei verraten. Als sie einen Mord beobachtet, flüchtet sie nach Hamburg. Was treibt sie an? Man weiß es nicht. Lars-Becker-Figuren handeln nicht immer logisch. Auch das Wettrennen mit dem Tod kann man mal verlieren.

„Geisterfahrer“, Arte, 20 Uhr 15

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