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Wolfgang Thierse, SPD-Politiker und früherer Bundestagspräsident, kritisiert das Dauerfernsehen zum Berliner Terroranschlag.

© Kai-Uwe Heinrich

Kritik an Berichterstattung zu Berliner Terroranschlag: Lieber "unerträgliches Warten" als Dauersendung

Der frühere Bundestagspräsident Thierse kritisiert Dauerberichterstattung zu Berliner Terroranschlag. Das führe zur "Hysterisierung"

Der frühere Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) hat die Medienberichterstattung unmittelbar nach dem Terroranschlag in Berlin kritisiert. Er sei besorgt über die Hysterisierung, sagte Thierse am Dienstag im Deutschlandfunk. Er bemängelte, „dass man angesichts eines solchen Ereignisses stundenlange Sendungen macht und mehr oder minder intelligente Experten ihre Vermutungen äußern“.

Der Sozialdemokrat forderte Medien und Publikum auf, sich gegenseitig ein „unerträgliches Warten“ zuzumuten, bis Fakten bekannt sind. Seiner Auffassung nach hätte zunächst eine 15- bis 20-minütige Sondersendung genügt und nach einer längeren Pause eine Berichterstattung mit einem neuen Informationsstand über den Anschlag auf den Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche, bei dem zwölf Menschen starben. Eine Dauerberichterstattung, „die ja gar nicht neue Fakten liefern kann“, habe eine irritierende Wirkung. ARD, ZDF, RTL, aber auch RBB und die Nachrichtensender hatten am Abend des Anschlags auf dem Breitscheidplatz ihr geplantes Programm zugunsten einer breiten Live-Berichterstattung, geändert wie die Nachrichtenplattformen im Netz hatten quasi nur noch ein Thema. Die Einschaltquoten wie auch die Zugriffszahlen haben das enorme Interesse des Publikums reflektiert.

Wolfgang Thierse wandte sich zudem gegen einen „Überbietungswettbewerb in Sachen Schuldzuweisung“, der unangemessen sei. „Der macht Menschen noch viel mehr nervös als das Ereignis selbst“, sagte der frühere Parlamentspräsident: „Das trägt nicht zur Beruhigung und zur sachlichen Lösung der Herausforderungen bei.“

Opfer von Hetze sollen sich wehren

In einem weiteren Radio-Interview mit dem Südwestrundfunk (SWR) hat Thierse die Opfer von Gewaltandrohungen und Hassparolen aufgerufen, sich zu wehren. Streit gehöre zwar zum Wesen der Demokratie, auch dass Menschen wütend oder aggressiv ihre Meinung sagten, aber einen Hetzer könne man auch „Hetzer“ nennen, sagte Thierse am Dienstag dem SWR in Baden-Baden. Feigheit und Leisetreterei würden nicht helfen. Es sei wichtig, sich gemeinschaftlich gegen Hetze zu stellen. Jeder Demokrat habe das Recht, sich gegen Hass und Gewalt zu wehren. Der Rechtsstaat solle „das Seinige“ dazu tun.

Der SPD-Politiker warnte davor, den „großen Echoraum“ Internet mit seinem „unerhörten Verstärkungseffekt“ sich selbst zu überlassen; das sei gefährlich. Wo gehetzt werde, sollten die Verursacher zur Verantwortung gezogen werden, auch große Unternehmen. Die Regeln des Rechtsstaats müssten auch im Internet durchgesetzt werden. Und wo Recht und Gesetz nicht ausreichten, müssten die Regeln verändert werden. (mit epd/KNA)

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