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Medien: Kritisch gesehen: Die Welt hat keinen Ausweg

Das Gift der Göttin / Tödliche Gerichte. ZDF.

Das Gift der Göttin / Tödliche Gerichte. ZDF. Alle Dokumentarfilme im ZDF haben heute so einen bittersüß drohenden Titel. Giftige Göttinnen und tödliche Gerichte gab es im Fernsehen früher nur bei Edgar Wallace, mittlerweile ist jeder Redakteur ein Spezialist für Horroreffekte. Die Sorge, hat Heidegger gesagt, ist eine unhintergehbare Konstante im menschlichen Bewusstsein. Wer uns Sorgen macht, wird unser Ohr finden. Die Nahost-Reportage am frühen Abend hieß übrigens "Der Fluch des Öls". Als giftige Göttin präsentiert Reporter Meinolf Fritzen den indischen Ganges. Der heilige Fluss der Hindus, aus dem trinkt, wer am Segen der Erde teilhaben will. Dabei schwimmen mehrere hunderttausend Kolibakterien in jedem Liter Flusswasser.

Fritzens Reportage macht noch einmal die Kraftlinien der jüngeren Weltgeschichte sichtbar: Aufklärung contra Religion, Physik gegen Metaphysik. Für den Geist der Hindus ist es gut, im Ganges zu baden, für ihren Körper ist es eine Bedrohung. Die Kamera zeigt fast ausnahmslos jene Stellen des Ganges, wo Kloaken einmünden. Schaumige Wirbel und kleine Bröckchen, über deren Herkunft man nicht nachdenken möchte. So stellt sich der Zuschauer automatisch auf die Seite westlich argumentierender Ökologen, die gegen religiöse Bestattungen im Fluss und ein ineffezientes Umweltmanagement ankämpfen.

Dabei lebt man im Herzen der aufgeklärten Welt keineswegs gefahrloser, wie Sabine Kempers "Tödliche Gerichte" beweisen. In extremer Nahaufnahme sieht jene Masse, die in Deutschland in die Würste gestopft wird, den Schaumwirbeln auf dem Ganges täuschend ähnlich. Man käme nicht auf so verdrießliche Gedanken, wäre die Reporterin weniger begabt für apokalyptische Pointen. "Mit ein bis zwei Lebensmittelvergiftungen im Jahr muss jeder Verbraucher in Deutschland rechnen", heißt es düster, und dann wird die Leidensgeschichte eines vergifteten Wurstessers minutiös beschrieben. Wenn ein Lebensmittelkontrolleur vor der Kamera behauptet, er habe im letzter Zeit keinen Grund zu Beanstandungen gehabt, ergänzt die Reporterin: "Wer wenig kontrolliert, findet wenig." Da ahnen wir, dass die Welt keinen Ausweg hat. Nicht für Hindus am Ganges und nicht für gottlose Konsumenten im Westen. Dass der Platz im Fernsehsessel die seelische und geistige Gesundheit auch nicht fördert, ist ohnehin kein Geheimnis.

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