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KRITISCH gesehen: Fluch der Karibik

Anne Will. ARD.

Anne Will. ARD.

Es gibt diesen Moment, wo die „Anne Will“-Sendung mit dem Titel aus der Mottenkiste der Nautikmetaphern („Piraten entern Berlin - Meuterei auf der ,Deutschland’?“) am Mittwochabend endgültig scheitert: Als die Grüne Bärbel Höhn versucht, gegen die Piratenpartei den Verantwortungsjoker zu spielen. Mütterlich hält sie dem Pankower Piraten Christopher Lauer vor, dass man über die Freiheit im Internet den Schutz im Internet nicht vergessen dürfe. Lauer versäumt hingegen den Hinweis, dass Höhn damit nicht eine Schwäche der Partei aufdeckt – sondern eine ihrer Stärken anspielt: die Forderung nach dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung.

Da ist das Kind aber bereits in den Brunnen gefallen. Versenkt haben es Fragen der Moderatorin, die hinter die Diskussion der vergangenen Tage ebenso weit zurückfallen wie hinter den Horizont zumindest der klüger wirkenden Diskutanten. Und ein Format, das an diesem Abend eher einer Zeugenbefragung gleicht.

Nachdem sich Lauer, gerade zu Beginn anscheinend nervös, zehn Minuten lang im 1:1-Talk mit Anne Will verhaspeln und in Pseudo-Witzigkeiten retten darf, werden die anderen Gäste hinzugebeten, unter ihnen noch Peter Altmaier (CDU), die Politikberaterin Gertrud Höhler, der stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion Martin Lindner und der Publizist und Moderator Roger Willemsen. Ein ermüdendes Spiel beginnt: Die Altvorderen arbeiten sich paternalistisch duzend und ihrzend an Lauer und seinen Piraten ab, anbiedernd wirken die einen (Höhler, Willemsen), borniert (Höhn) beziehungsweise ablehnend (Lindner) die anderen.

Die Einzigen, die zwischenzeitlich eine gewisse Flughöhe erreichen, sind Lauer und Altmaier: Als Letzterer sagt, dass die Piraten einen „seriösen Punkt“ erwischt hätten, nämlich den, wie sehr das Internet die Leben derjenigen bestimmt, die es wirklich nutzen, bestätigt Lauer emphatisch: „Es zerkloppt Paradigmen.“

Zum ersten Mal kommt die Sendung ihrer Leitfrage, was genau die Faszination der Piraten ausmacht, ansatzweise nahe. Was allerdings nichts bringt bei einer Moderatorin, die von dem hausgemachten Piratenhype offenbar zu wenig hält, um ihm dahin zu folgen, wo er sich ein bisschen selbst erklärt: „Sind Sie überrascht, dass man mit nur einer Kompetenz so weit kommen kann?“ lenkt sie das Gespräch schnell über zu Martin Lindner, der in der Schlussviertelstunde noch mit Fragen zur Krise der FDP gedemütigt wird.

Was am Ende vor 1,35 Millionen Zuschauern bleibt, ist wenig: Nimmt man Bärbel Höhn als Seismograf für das Unverständnis, mit dem grüne Eltern ihren Piraten-Kindern begegnen, ahnt man einen Generationenkonflikt. Nimmt man Christopher Lauer als typisches Piraten-Kind, muss er die Phasen des Triumphes und Trotzes gegenüber der Mutter noch überwinden. Nimmt man die Ankündigungen, „Anne Will“ wolle in den 75 Minuten am Mittwochabend mehr in die Tiefe gehen, dann muss man sich sehr wundern, warum exakt nach 60 Minuten und an einem interessanten Punkt zur FDP übergeleitet wurde. Ein Schritt, der nur dann naheliegt, wenn man Politik als ein Kommen und Gehen von Parteien betrachtet. Und wenn man glaubt, die Faszination einer Partei mit „nur einer Kompetenz“ lasse sich in 60 Minuten Sendezeit erklären. Oder gleich im Netz. Johannes Schneider

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