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KRITISCH gesehen: Schrei-Therapie

Sandra Maischberger und der Talk-Versuch, aus Westerwelles Hartz-IV-Zitrone den letzten Saft heraus zu quetschen.

Menschen bei Maischberger. ARD. Dass das nicht der Stil ihrer Sendung sei, rüffelte Sandra Maischberger den Immobilien-Millionär Thomas Kramer ganz am Ende. Doch das war Kramer egal, so wie er sich schon in den vorangegangen 75 Minuten herzlich wenig um Talkshow-Etikette geschert hatte. Zum Glück für den Zuschauer. Denn was man Dienstagnacht bei Maischberger erleben durfte, gehört in die Kategorie großes Theater. Maischberger wollte mit der Frage „Wer sind die wahren Asozialen?“ den letzten Saft aus Westerwelles Hartz-IV-Zitrone quetschen. Doch ihre Gäste spielten nicht mit. Und vertraten Positionen, für die sie gar nicht eingeladen worden waren. Denn warum sind Talkshows meist so ärgerlich? Weil Parteienproporz Originalität ersetzt. Das größte Unglück aber sind Moderatorinnen, die mit ironischem Lächeln jeden Streit und jeden Gedanken, der etwas länger zur Entfaltung braucht, abwürgen. Anders jetzt bei Maischberger – dank der Gäste. Da sonderte zwar der gegelte FDP-Mann Martin Lindner Stanzen von der Sorte „Wir müssen die Menschen in Arbeit bringen“ ab; worauf Linken-Frau Dagmar Enkelmann konterte, dass Westerwelle das Land spalte. Politikerblabla eben.

Doch ihnen gegenüber saßen zwei wilde Gockel in edlem Zwirn, die sofort begannen loszukrähen. Dem in Miami lebenden Kramer platzte fast der Kragen, als er über das „unsympathische“ Deutschland meckerte, das er auch in der Sendung wiederfinde. Dann brüllte er Enkelmann nieder, als diese eine E-Mail von einem Arbeitslosen vorlas, weil neben ihr doch zwei Arbeitslose säßen. Trikotagen-Unternehmer Wolfgang Grupp hingegen ging auf Kramer wegen dessen dubioser Geschäfte los. Dann schalt er wuchtig alle Banker sowie seine im Ausland investierenden Kollegen als Vaterlandsverräter. Derjenige, der von Maischberger für den Part des Krawallmachers bestimmt worden war, staunte da nicht schlecht: Christo Großmann von der Anarchistischen Pogo-Partei Deutschlands („Arbeit ist Scheiße“). Als der dann aber mit Westerwelle sagte, es gebe „keine Leistungsgerechtigkeit“, war eine selten anarchische Sendung perfekt. 

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