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Jan Böhmermann in der Kulisse seiner Show "Neo Magazin Royale"

© dpa/Ben Knabe/ZDF

Update

Künstler zum Fall Böhmermann: "Wir solidarisieren uns mit Jan Böhmermann“

In einem offenen Brief fordern prominente Künstler die Staatsanwaltschaft auf, ihre Ermittlungen gegen Jan Böhmermann einzustellen. Unklar bleibt, wann das "Neo Magazin Royale" auf den Bildschirm zurückkehrt.

„Diskussionen über und Kritik an Jan Böhmermanns Erdoğan-Gedicht gehören in die Feuilletons des Landes und nicht in einen Mainzer Gerichtssaal“, heißt es in dem Brief. Zu den Unterzeichnern zählen unter anderem Matthias Brandt, Thea Dorn, Klaas Heufer-Umlauf, Igor Levit, Jan Josef Liefers, Peter Lohmeyer und Katja Riemann.

„Kunst kann nicht in einem Klima stattfinden, in dem sich Künstlerinnen und Künstler Gedanken darüber machen müssen, ob ihr Schaffen zur Strafanzeige führt, in dem sie beginnen, sich selber zu zensieren, oder zensiert zu werden“, heißt es in dem offenen Brief. Es sei die Aufgabe von Kunst und Satire, öffentliche Diskurse zu entfachen. Die Künstler fordern zudem, den Paragrafen 103 aus dem Strafgesetzbuch zu streichen, der ausländische Staatshäuptern einen Sonderstatus einräumt.

Jan Böhmermann steht seit Dienstag unter Polizeischutz, wegen seines Schmähgedichts gegen den türkischen Staatspräsidenten Erdogan.

Indes hat Spiegel online bei Deutschlands Unterhaltungs- und Kabarettszene nachgefragt, was sie vom "Schmähgedicht" und einer möglichen Strafverfolgung Jan Böhmermanns halten.

Dieter Nuhr hält Böhmermanns Gedicht für pubertär..."Der Satz ,Satire darf alles' ist selbstverständlich falsch", wird der Kabarettist zitiert. "Ein Satiriker darf genausoviel wie ein Klempner." Und: Nuhr würde ein mögliches Verfahren gegen Böhmermann wegen Nichtigkeit einstellen.

Was kommt denn als Nächstes?

"Es geht bei diesem Gedicht nicht um einzelne Aussagen", sagt Comedian Michael Mittermeier in dieser Umfrage. "Es ist eine inszenierte Provokation im Rahmen einer Satiresendung, und als solche hat sie ja wohl funktioniert. Die Grenzen der Satire sind für mich überschritten, wenn es auf Schwächere geht. Es sollte nie nach unten, sondern nach oben getreten werden (...) Es wäre traurig, wenn hier ein Strafverfahren eingeleitet werden würde. Was kommt denn als Nächstes? Wenn Donald Trump doch US-Präsident wird, und man einen Witz über ihn macht, wird man dann an die Wand der Mauer gestellt, die er zwischen Mexiko und den USA bauen lassen will?"

Weiterhin diskutiert wird auch die Rolle des ZDF in der Causa Böhmermann/Erdogan. "Neo Magazin Royale" wird in der Regel mittwochs aufgezeichnet. Also war die Nummer mit Erdogan offenbar 24 Stunden lang sendefähig, die dann nach der Ausstrahlung am Donnerstagabend auf ZDFneo nicht mehr sendefähig war. Viele fragen sich, wie es um das Krisenmanagement des Zweiten in dieser Hinsicht bestellt ist. Ob und wann "Neo Magazin Royale" auf den Bildschirm zurück kehrt? Entscheidet Böhmermann das selbst, wann es weitergeht? Soll das Abnahme-Verfahren des ZDF-Redakteurs bei Satireshows künftig verschärft werden? Und: Sollte Böhmermann verurteilt werden, hätte das Auswirkungen auf die Zusammenarbeit?

"Üblicherweise regeln Vertragspartner in einem Vertrag, welche Leistungen zu erbringen sind. So ist das auch hier", sagte ein ZDF-Sprecher am Mittwochnachmittag. Dass es bei außergewöhnlichen Situationen auch Einzelfallentscheidungen geben könne, zeige die Entscheidung, in dieser Woche kein „Neo Magazin Royale" zu produzieren. "Im Augenblick ist die Rede von Ermittlungen, nicht von ,Verurteilung'. Mehr ist im Moment dazu nicht zu sagen."

"Freiheit für Böhmermann" statt "Sanft und Sorgfältig"

Am Montag hatte sich ZDF-Intendant Thomas Bellut zur dpa geäußert. Die Affäre um Böhmermann habe keinen Einfluss auf die Satire-Programme des Senders. „Ich stehe natürlich zu den Satire-Sendungen, zu den Moderatoren und zu Herrn Böhmermann auch“, sagte Bellut. Momentan gehe es „um eine kleine Passage in einer seiner letzten Sendungen, über die heftig diskutiert wird“. Allerdings entspreche diese nicht den Qualitätsvorstellungen, die das ZDF für Sendungen dieser Art habe.

Am Mittwochmorgen stiftete „Bild“-Herausgeber Kai Diekmann mit einem angeblichen Böhmermann-Interview für weitere Verwirrung. Das auf Diekmanns Facebook-Seite veröffentlichte Gespräch war übertitelt mit den Worten: „Jan Böhmermann bricht sein Schweigen! Das große Interview zum Erdogan-Eklat!“ Der ZDF-Moderator wird im weiteren Verlauf unter anderem auf die Frage nach dem Grund seiner Satire mit den Worten zitiert: „Wie gehen wir mit schrecklichen Regimen um, auf die wir angewiesen sind? Mit „Traumschiff“ und „Forsthaus Falkenau“ treten Sie solche Debatten nun mal nicht los. Das ZDF sollte mir dankbar sein. Das ist meine Botschaft. Making ZDF great again, wie Donald Trump sagen würde!“ Später twitterte Diekmann: „Ich sag' es mal in den Worten des falschen Böhmermann: „Das ganze Leben ist Satire. Man muss sie nur erkennen.“ #Boehmermann #Interview“. Zurück in die Medien scheint Böhmermann so schnell nicht kommen zu wollen. Radio Eins verzichtet auf Wunsch des Satirikers am kommenden Sonntag zum zweiten Mal auf eine neue Ausgabe seiner Radiosendung „Sanft und Sorgfältig“. Der zum Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) gehörige Sender lädt am Sonntagvormittag zu einem Satire-Show-Talk unter dem Titel „Freiheit für Böhmermann“ ins Berliner Tipi am Kanzleramt. Das Gespräch sei am Sonntagnachmittag auf radioeins zu hören, heißt es auf der Internetseite. Der Talk sei bereits vor der Absage Böhmermanns für seine Radiosendung geplant gewesen, sagt radioeins-Programmchef Robert Skuppin in einem Interview auf der Homepage.

Moderator Marco Seiffert begrüßt darin unter anderem die Kabarettisten Idil Baydar, Arnulf Rating und Florian Schroeder, den Grafiker und Ex-Präsident der Akademie der Künste Klaus Staeck sowie die Journalisten Ebru Tasdemir ("taz"), Tagesspiegel-Chefredakteur Lorenz Maroldt und Markus Feldenkirchen ("Spiegel").

Dass die Sendung in unmittelbarer Nähe zum Kanzleramt produziert wird, will Skuppin auch als "Ruf an die Kanzlerin" verstanden wissen, wie er in einem Interview mit seinem Sender sagte. Unabhängig davon, was man von Böhmermanns Erdogan-Gedicht halte, stehe man "eng an der Seite von Jan Böhmermann", betonte Skuppin, der das Gedicht zwar nicht beurteilen möchte, aber die Intention dahinter versteht. Skuppin: "Jan Böhmermann wollte auf einen nicht unerheblichen Missstand in der Türkei aufmerksam machen und das hat er mit satirischen Mitteln probiert. Möglicherweise hat er überzogen, aber was jetzt daraus geworden ist, das ist schon relativ unglaublich."

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