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Medien: „Leider war Castro besser als wir“

Der ARD-Film „Rendezvous mit dem Tod“ behauptet, Oswald habe Kennedy in Kubas Auftrag ermordet

Der Journalist Wilfried Huismann macht seit Jahren Filme über politische Morde, Spionagefälle und Wirtschaftskriminalität. Einen seiner drei Grimme-Preise bekam er 1997 für „Das Geheimnis um das Olympia-Attentat“. Das Kennedy-Attentat hatte den Bremer Filmemacher, wie er sagt, als Thema bisher eigentlich nie interessiert. Denn das hysterische Gemisch aus vertuschten Ungereimtheiten, Gerüchten und Verschwörungstheorien macht dieses millionenfach untersuchte Stück amerikanischer Geschichte zu einem journalistischen Minenfeld.

Doch nun schlägt sein Dokumentarfilm „Rendezvous mit dem Tod“ hohe Wellen und bringt die Kennedy-Forschung in Bewegung. Denn er verfolgt die These, dass das Attentat auf den Präsidenten am 22. November 1963 in Dallas auf das Konto von Fidel Castro geht.

„Ich konnte mir anfangs nicht vorstellen, dass das etwas mit den Kubanern zu tun haben könnte“, sagt Huismann (53), der selbst eine Weile in Chile gelebt und Kuba rund zwei Dutzend Mal besucht hat. Ausschlaggebend für seine letztlich dreijährige Recherche war ein Interview, das er für seinen Film über die deutsche Geliebte von Fidel Castro mit einem früheren FBIAgenten führte, der den Attentäter Lee Harvey Oswald kurz nach dem Mord verhört hatte. Der Agent sagte, nur bei einer Frage sei der ansonsten abgebrüht wirkende Oswald unsicher geworden, nämlich bei der, was er einige Monate zuvor in Mexiko-Stadt gemacht habe. Und so tat sich Huismann mit dem angesehenen amerikanischen Kennedy-Forscher Gus Russo als Co-Autor zusammen, der bereits in seinem 1998 veröffentlichten Buch „Live by the Sword“ auf die Rolle Mexikos und Kubas hingewiesen hatte. Zusammen mit einem Rechercheur in Mexiko gelang es ihm, Zeugen aufzutreiben, darunter die Tochter des Literaturnobelpreisträgers Octavio Paz, die gesehen haben, dass Oswald zwei Monate vor dem Attentat Kontakt zu kubanischen Botschaftsangehörigen hatte und Geld von ihnen erhielt.

Erstmals bestätigen hier auch drei ehemalige Offiziere des kubanischen Auslandsgeheimdienstes G-2 vor der Kamera, dass Kuba den bekennenden Kommunisten Oswald rekrutiert und ihn auf den amerikanischen Präsidenten angesetzt hat. Einer von ihnen, Oscar Marino, sagt: „Er hat sich quasi angeboten, und so haben wir ihn genommen.“ Marino, alt und krank wie er ist, gibt auf einer nächtlichen Autofahrt dieses Geheimnis preis, auch weil er findet, dass Fidel Castro die Revolution verraten habe.

Es ist faszinierend zuzusehen, wie Wilfried Huismann seine Kronzeugen zum Sprechen bringt. Und auch wenn er abgewimmelt wird, manchmal brüsk, manchmal ausnehmend freundlich, erhöht das letztlich die Spannung. Eine besonders harte Nuss ist dabei der stets süffisant grinsende Fabian Escalante. Der ehemalige kubanische Geheimdienstchef, der Bücher über das Komplott der CIA gegen Kennedy geschrieben hat und nach einer dubiosen Achterbahnkarriere nun im Im- und Export tätig ist, schüttelt alle Fragen nach einer kubanischen Beteiligung mit einem Lächeln ab: „Was ist schon die Wahrheit?“, fragt er, als müsse er einem kleinen Jungen etwas erklären. „Man kann Fotos und Dokumente fälschen. Sind Sie zum Beispiel sicher, dass die Amerikaner wirklich auf dem Mond waren?“

Dass Fidel Castro genug Gründe hatte, John F. Kennedy den Tod zu wünschen, weist „Rendezvous mit dem Tod“ ebenfalls nach. Spätestens nach der gescheiterten US-Invasion in der Schweinebucht im Jahr 1961 begannen die Kennedy-Brüder einen geheimen Krieg gegen das Castro-Regime. Über acht ihrer Mordversuche wusste Castro offensichtlich sogar Bescheid. Und einer von ihnen war ironischerweise für den gleichen Tag wie das Kennedy-Attentat geplant. Damals schickte die CIA offenbar einen Mitstreiter Castros mit einem Flugzeug los, um den Máximo Líder mit Gift und einer als Kugelschreiber getarnten Pistole zu töten. „Leider war Castro besser als wir“, fasst ein ehemaliger CIA-Agent am Ende des Films das Duell zwischen der Weltmacht und dem Zwergstaat in der Karibik zusammen.

Wilfried Huismann und Gus Russo, die in den USA, Mexiko, Kanada, Russland und Kuba drehten, erklären auch den Grund, warum die so genannte Warren-Kommission, die das Attentat untersuchte, die Kuba-These nicht weiter verfolgt hat. Der FBI-Supervisor Lawrence Keenan, der damals mit seinem Team nach Mexiko reiste, um herauszufinden, was Lee Harvey Oswald während seiner sieben Tage im September 1963 dort gemacht hatte, berichtet, wie er vom neuen Präsidenten Lyndon B. Johnson zurückgepfiffen wurde. Die Spuren, auf die er gestoßen war und denen Wilfried Huismann nun nachgegangen ist, schienen zu brisant. Man wollte eine Konfrontation mit Kuba und damit einen möglichen Krieg, der mit Atomwaffen geführt würde, verhindern.

„Aus politischen Gründen mussten wir die Wahrheit vertuschen“, sagt Keenan. „Bis heute schäme ich mich dafür.“ Die endgültige Wahrheit über das legendäre Ereignis wird die Welt wahrscheinlich erst im Jahr 2029 erfahren, wenn die Akte über den Kennedy-Mord geöffnet werden darf. Bis dahin trägt dieser Film mit seinem unaufgeregten Tonfall auf beeindruckende Weise dazu bei, eine Schneise in dieses unendlich zugewucherte Thema zu schlagen.

„Rendezvous mit dem Tod“, ARD, um 21 Uhr 45

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