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Liebesleben: Maria Schrader verfilmt Amour Fou

"Liebesleben", der Roman der israelischen Schriftstellerin Zeruya Shalev, beschreibt eine „amour fou“. Eine junge Frau verfällt einem Mann, der ihr Vater sein könnte, mit Haut und Haaren und setzt ihre komplette Existenz aufs Spiel. Maria Schrader hat die Geschichte kongenial verfilmt.

Das Drehbuch, das die Schauspielerin gemeinsam mit Andreas Dresens Stammautorin Laila Stiehler geschrieben hat, versucht gar nicht, das Geheimnis dieser Obsession zu ergründen. Scheinbar willenlos lässt sich Jara, verheiratet und auf dem Sprung zu einer Universitätskarriere, vom älteren Arie benutzen. Nach animalisch gefühllosem Sex, bei dem Jara zwar Objekt, aber nicht das seiner Begierde ist, setzt der frühere Freund ihres Vaters sie einfach vor der Tür. Erst am Ende, als ein jahrzehntelang gehütetes Familiengeheimnis ans Licht kommt, stellt sich raus, warum Jaras Mutter Arie regelrecht hasst, dass die obsessive Fixiertheit gewissermaßen ererbt ist.

Das erotische Drama ist Schraders erste Regiearbeit. Die bemerkenswerte Bildgestaltung von Kameramann Benedict Neuenfels ließe sich ja noch durch seine große Erfahrung erklären, die ausgezeichnete Führung der Darsteller aber ist Schraders Verdienst. Jara, ein bisschen schreckhaft, ein bisschen verträumt, wird von der Israelin Neta Garty verkörpert. Doch ihr hingebungsvolles Spiel wäre bei der falschen Besetzung des Mannes vergebliche Liebesmüh’ gewesen. Der Kroate Rade Šerbedžija, gern genommener Nebendarsteller in Hollywood, ist auch hier der perfekte Partner. Er spielt den erfahrenen Mann, der Kapriolen des Lebens und der Liebe überdrüssig, mit derart aufreizender Lässigkeit, dass nachvollziehbar ist, warum Jara für Arie ihre heile Welt zerstört.

Die größte Leistung Schraders aber besteht darin, aus der episodisch erzählten Handlung ein harmonisches Ganzes zu schaffen. Letztlich besteht „Liebesleben“ aus vielen einzelnen, durchaus mysteriösen Erlebnissen. Einmal sieht Jara ein Unfallopfer am Straßenrand; es ist sie selbst. Als sie einen Joint raucht, versinkt sie buchstäblich im Bett, ein verblüffender Effekt. Beim beinahe burlesken Finale, als Arie zum letzten Mal sein böses Spiel mit der jungen Frau treibt, fügt sich vieles ineinander. Dass trotzdem nicht alles erklärt wird, trägt zum großen Reiz dieses Films bei.
„Liebesleben“, ARD, 22 Uhr 45

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