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Medien: Links geblättert

Caroline Fetscher über den verblassten Mythos „Konkret“ Wer Ende der 70er Jahre nach Hamburg kam und dort die publizistische Landschaft erforschen durfte, lernte nicht nur „Spiegel“ Leute und Rowohlt-Lektoren kennen, sondern auch „Konkret“. War man mit den Leuten dieses Monatsmagazins in der Stadt unterwegs, erklärten sie bisweilen: „In dieser Kneipe hatte ich mal mit Ulrike eine klasse Diskussion.

Caroline Fetscher über den verblassten Mythos „Konkret“

Wer Ende der 70er Jahre nach Hamburg kam und dort die publizistische Landschaft erforschen durfte, lernte nicht nur „Spiegel“ Leute und Rowohlt-Lektoren kennen, sondern auch „Konkret“. War man mit den Leuten dieses Monatsmagazins in der Stadt unterwegs, erklärten sie bisweilen: „In dieser Kneipe hatte ich mal mit Ulrike eine klasse Diskussion.“ Gemeint war Ulrike Meinhof, die in den 60ern, vor ihrem Fortdriften in die gewalttätige Illegalität der RAF, eine brillante Autorin des Blattes war. 1974 übernahm Hermann Gremliza die Monatszeitschrift „für Politik und Kultur“ von Klaus Rainer Röhl, der es mit einer Mischung aus Sex und Radikalismus probiert hatte. Gremliza, so hieß es, war einst ein Kronprinz des „Spiegel“, doch der wortmächtige Schwabe hielt es dort nicht aus. Er suchte mit „Konkret“ den linken Rand des Meinungsspektrums zu wahren und zu festigen. Wolf Biermann schrieb hier, Stefan Aust, Diedrich Diederichsen – und stets Jürgen Elsässer, der „Konkret“ nun verlässt. „Konkret“, das war eine Instanz für die Linke. Doch als das Blatt, das immer vor Antisemitismus warnte, zu Beginn des Golfkrieges den militärischen Einsatz gegen den Irak – zum Schutz Israels – rechtfertigte, kündigte fast die Hälfte der Leser ihre Abonnements.

Zahllose linke Publikationen konkurrieren in der neuen Unübersichtlichkeit der Weltordnung inzwischen um die Gunst kritischer und/oder empörter Zeitgenossen. Elsässer, dezidiert antideutsch, anti-militaristisch, anti-antisemitisch und vieles Sympathische mehr. Seine Elsässer-Welt, in der es einen „Joschka Bin Laden“ gibt, und einen vom „Westen“ bösartigerweise ramponierten, inhaftierten Slobodan Milosevic, transportierte er auch in die „Junge Welt“ und, als diese sich spaltete, in die 1997 in Berlin entstandene Wochenschrift „Jungle World“. Es folgten regelmäßig Scheidungen und neue Ehen, nun steht er allein da, lutherisch, nicht anders könnend. Elsässers Website weist ihn als journalistischen Handke aus, der seine wichtigsten Mitteilungen über Serbien auch auf Serbisch preisgibt, und als „Jirgen Elsezer“ sogar in Belgrader Zeitungen wie „Politika“ und „Danas“ schreiben darf.

„Konkret“ gibt vor, Elsässers Gehen zu bedauern – konkrete Gründe werden gleichwohl nicht aufgeführt. Der Grund ist wohl ein interner Konflikt zur Frage des möglichen weiteren Krieges gegen Saddam Hussein, der in „Konkret“ kontrovers diskutiert wurde.

Jedoch – mittlerweile ist „Konkret“ ein blasser Mythos der Linken, manchmal noch witzig, oft ärgerlich selbstbezogen, gelesen von einer ungenannten kleinen Zahl alter Recken, deren Weltbild nicht wackelt. Man muss es eingestehen: So unbeirrt und integer Gremliza nach wie vor ist, andere haben „Konkret“ weitgehend den Rang abgelaufen. Wer sich über das linke Meinungsspektrum informieren will, findet in der professionell gemachten „Jungle World“ (www.jungle-world.com) weitaus mehr aktuellen, kontroversen, mutigen und lustigen Denkstoff. Abgesehen von einigen blinden Flecken auf der balkanischen Seite der Erde ist dort linker, junger Pluralismus lebendig, auch in der Beilage „Subtropen“ in jeder ersten Nummer des Monats, hervorgegangen aus der intellektuellen, von vielen vermissten Hochglanzzeitschrift „Die Beute“. Jungle World bietet einen Pluralismus, etwa in der Israel-USA-Debatte, den man sonst nicht so leicht findet. Jede freie Presseszene eines Landes braucht auch solche wachen, unbequemenen Organe jenseits des Massengeschmacks, und es ist ein Glück, wenn sie lesbar sind.

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