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Medien: Live aus dem Kombinat

Michael Jungblut geht nach 16 Jahren „Wiso“-Moderation in Rente

Die Bücherwand in seinem Büro hat Michael Jungblut schon fast leer geräumt. Bis auf drei Regalbretter. Die sind noch voll mit Büchern und sollen es auch bleiben, erklärt er: „Das sind die Bücher, die ,Wiso’ in den vergangenen Jahren herausgegeben hat.“ Jungblut hat „Wiso“ über 200 Mal moderiert, am Montagabend steht er zum letzten Mal im „Wiso“-Studio (ZDF, 19 Uhr 25). „Die Bücher lasse ich meinem Nachfolger da, damit er weiß, was wir alles gemacht haben“, sagt er. Sein Nachfolger Ekkehardt Gahntz könnte Jungbluts Geschenke freilich auch als Mahnung auffassen. Denn die ansehnliche Produktpalette – von Tipps beim Hausbau bis zur Steuererklärungs-Software – ist Beleg dafür, dass Gahntz den Job eines ziemlich fleißigen Mannes übernimmt.

Das Magazin als Marke

Jungblut ist studierter Diplom-Volkswirt. Im Jahr 1986 ist er von der „Zeit“, bei der er fast zehn Jahre Chef des Wirtschaftsressorts war, zum ZDF gekommen. Dort leitet er seitdem die Redaktion Wirtschafts-, Sozial- und Umweltpolitik. Zum Jahresende geht er in Rente, er ist mittlerweile 65.

Michael Jungbluts Verdienst war es, dass er das Wirtschafts- und Verbrauchermagazin „Wiso“ zur erfolgreichen Marke entwickelt hat. Besonders auf den Service-Charakter der Sendung hat er Wert gelegt. Schon in den 80er Jahren konnten Wiso-Zuschauer weiterführende Informationen zum Thema Hausbau oder zu ihrer Steuererklärung per Telefon auf einem Endlosband abhören. Als erste Sendung im deutschen Fernsehen nutzte „Wiso“ einige Jahre später den Faxabruf. Dann kamen die vielen Bücher und CD-Roms. Stärkung der Zuschauerbindung nennen Betriebswirte so was.

„Jungblut ist ein Unternehmertyp“, sagt ein Redakteur, der viele Jahre mit Jungblut zusammenarbeitete, er habe Wiso „zu vermarkten“ gewusst. Bei so einer Einschätzung denkt man gleich an Guido Knopp, der um seine Geschichtsdokumentationen herum ein Sortiment an Büchern und Verkaufsvideos aufgebaut hat. Ein anderer Wiso-Redakteur erklärt den Unterschied der beiden: „Knopp hat sich selbst verkauft, während Jungblut immer die Sendung ,Wiso’ vermarktet hat.“ Die „Wiso“-Redaktion bringt ihr Produkt noch immer mit großem Erfolg an den Konsumenten: Im Vergleich mit „Plusminus“, dem Hauptkonkurrenten der ARD, liegt die Verbrauchersendung mit einem Marktanteil von 10,9 Prozent und durchschnittlich 2,8 Millionen Zuschauern vorn.

Für Michael Jungblut gab es aber auch ein Journalistenleben neben der wöchentlichen „Wiso“-Routine. Er moderierte beispielsweise 1986 von der Leipziger Messe aus die erste Sendung eines westlichen Senders, die auf dem Boden der DDR produziert wurde. „Das war sicherlich die interessanteste Erfahrung in meiner Berufslaufbahn“, sagt Jungblut. „Ich musste allein zehn Mal nach Ost-Berlin fahren, um die Genehmigung zu bekommen.“ Er ließ sich nicht abschrecken: 1987 sendete er live aus einem DDR-Kombinat und aus dem Maschinenkombinat Ordschonikidse bei Moskau. Der Osten blieb sein Thema: Am Jahresende 1989 machte er eine Sondersendung zum Thema, wie die deutsche Wiedervereinigung organisiert werden könnte.

Von Mainz ins Burgund

Seine Mitarbeiter werden Jungblut vermissen. Vor allem auch wegen seiner feinen Ironie im Umgang mit Kollegen und Vorgesetzten. Er selbst hat trotz Rente genug zu tun. Er will seine Zeit künftig mit dem Schreiben von Büchern und Artikeln verbringen, dann ist da noch seine Mitarbeit im Verwaltungsrat der Stiftung Warentest. Außerdem hat er ein Ferienhaus im Burgund, in dem er zusammen mit seiner französischen Frau jetzt öfter sein will.

Daniel Meuren

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