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Wie groß ist der Einfluss von Lobbyisten auf Entscheidungen in Brüssel? Die Seite Lobbyplag.eu will es erkunden.

© dpa

Lobbyismus: Mein persönliches Wurst-Erwachen

Die EU schreibt ab - von Lobbyisten. Unser Autor ist Mitbegründer von Lobbyplag. Die Plattform vergleicht systematisch Texte der EU-Institutionen mit Papieren von Lobbyisten und will so deren Einfluss offen legen.

Gesetze und Würste, soll Otto von Bismarck einmal gesagt haben, je weniger die Leute wissen, wie sie gemacht werden, desto besser schlafen sie. Was die Würste betrifft, so ist manch einer nach dem jüngsten Pferdefleisch-Skandal zum Vegetarier geworden. Ich für meinen Teil hatte mein persönliches Wurst-Erwachen in einem ganz anderen Zusammenhang, es geht um die neue EU-weite Datenschutzverordnung, die bald schon bindend sein soll für alle 27 Mitgliedstaaten.

Max Schrems, ein junger Student aus Wien, hatte mich kontaktiert, weil ihm da etwas Merkwürdiges aufgefallen war. Schrems ist bekannt geworden, weil er 2012 Facebook dazu gebracht hat, ihm einen Überblick über alle Daten zu geben, die sie über ihn gespeichert haben. Er erhielt eine Datei mit 1222 Pdf-Seiten. Nun weist Schrems auf Folgendes hin: Ein Großteil der offiziellen Gesetzesvorlagen, die in diesen Tagen gerade in Brüssel diskutiert werden, stammt offenbar eins zu eins aus Lobby-Papieren großer Internet-Konzerne, von Banken oder von der US-Handelskammer.

Richard Gutjahr ist Journalist und Mitbegründer von Lobbyplag.
Richard Gutjahr ist Journalist und Mitbegründer von Lobbyplag.

© promo

Na und?, so ein Abgeordneter auf die Frage, wie denn ganze Passagen aus diversen Firmen-Papieren in seinen Gesetzestext gerutscht sind. Es sei doch nicht verboten, gute Ideen zu übernehmen. Zu diesen guten Ideen gehören unter anderem: Die Erlaubnis zum Sammeln und Verkaufen von Daten, die mit dem eigentlichen Geschäftsvorgang gar nichts zu tun haben. Unternehmen sollen mit ihrer Firmenzentrale beliebig hin- und herwechseln dürfen, um einer möglichen Bestrafung entgehen zu können. Und überhaupt: Wer braucht schon Strafen? Das regeln die Konzerne in Zukunft doch besser alleine.

Wenn Abgeordnete sich ihre Gesetze demnächst komplett von den Konzernen schreiben lassen und später nur noch ihren Namen daruntersetzen, dann haben wir Schavan und zu Guttenberg am Ende Unrecht getan. Wen interessiert dann noch, was in einer Wurst, in einer Doktorarbeit oder in einem Gesetzespaket steckt, das für die nächsten zehn bis 15 Jahre die Privatsphäre von über 500 Millionen EU-Bürgern regelt. Stattdessen gilt: Kopieren geht über regieren. Rindfleisch-Lasagne für alle!

Unser Kolumnist ist Journalist und Mitbegründer von lobbyplag.eu, einer neu gestarteten Crowdsourcing-Plattform von OpenDataCity, die Fremdtexte in EU-Gesetzesvorlagen aufspüren will.

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