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Lotte, Tee und Westerwelle: Guten Morgen, Deutschland!

25 Jahre Frühstücksfernsehen: Was damals ein Kulturschock war, wird heute von Millionen eingeschaltet.

Für viele prominente Gäste ist das ein knochenharter Job, härter vielleicht als der Dreh zum Film, für den geworben wird. Um fünf Uhr aufstehen, von aufgedrehten Fahrern zum Studio chauffiert werden, Maskenbildner, die zu der Uhrzeit schon zusammenhängende Sätze sprechen können, schließlich der gut gelaunte Moderator Jan Hahn, der Bastian Pastewka beispielsweise zwingt, beim Morning-Quiz auf Sat1 die Fragen vorzulesen. Frühstücksfernsehen ist sicher nicht jedermanns Sache. Andererseits, und das wissen die Gäste, Schauspieler, Sänger, Models, ist es eines der langlebigsten und erfolgreichsten Formate im deutschen Fernsehen. Insgesamt rund drei Millionen Menschen, quer durch die Bevölkerungsschichten, schauen allein bei Sat1 zwischen 5 Uhr 30 und zehn Uhr vorbei, wenn Simone Panteleit, Karen Heinrichs, Matthias Killing und Jan Hahn in der Berliner Fernsehwerft an der Stralauer Allee auf Sendung gehen.

Wenn Pastewka ins Studio kommt, ist die Zweier-Frühschicht schon lange wach. „Gegen 22 Uhr ins Bett, um drei Uhr aufstehen, das ist eine Schicksalsgemeinschaft“, sagt Matthias Killing, stellvertretend für zahlreiche Moderatoren aus 25 Jahren Frühstücksfernsehen, 20 davon zusammen mit den Kollegen von ARD und ZDF, die 1992 frühmorgens den Formaten von Sat1 und RTL folgten, als „Morgenmagazin“. Was viele ja vergessen haben: Aktuelles Fernsehen am Morgen gab es in Deutschland bis 1987 nicht. Sat1 wollte das zum 1. Oktober 1987 ändern, doch RTL (damals RTL plus) kam zuvor. „Punkt 6 Uhr 30 Uhr begann am Mittwochmorgen überraschend die Ära Frühstücksfernsehen in der Bundesrepublik“, meldete die Nachrichtenagentur dpa am 23. September 1987. „Der private Sender RTL plus zog ohne Ankündigung den für den 5. Oktober vorgesehenen Start des ersten Frühstücksfernsehens in Deutschland vor.“ RTL nahm in Kauf, nur wenige Zufallszuschauer zu haben in den nur 2,18 Millionen westdeutschen Haushalten, die RTL empfangen konnten.

In der ersten Ausgabe von RTL-„Guten Morgen, Deutschland“ war die Schauspielerin Edith Hancke zu Gast, Karl Lagerfeld in einem Gespräch zu sehen, das in Paris aufgezeichnet worden war. Sexualtherapeutin Ruth Westheimer kam zu Wort. Ein Zisterzienser-Mönch rief zur Besinnung auf. Bei der Premiere von „Guten Morgen mit Sat 1“ acht Tage später, die als „munteres Morgenradio zum Hinsehen“ angekündigt wurde, hieß der Gastgeber Wolf-Dieter Herrmann, das Wetter sagte Rita Werner an. Als Aufzeichnung gab es ein Interview mit Bundeskanzler Helmut Kohl anlässlich seines fünfjährigen Amtsjubiläums. Der Regierungschef verriet, dass er bereits seit Schulzeiten nicht richtig frühstücke und nach dem Aufstehen eine Tasse Tee trinke.

Später schauten Pastewka, Matthias Schweighöfer, Reese Witherspoon oder Robbie Williams vorbei. Im Grunde haben sich Konzept und Farbe des Frühstücksfernsehens in 25 Jahren kaum verändert. Inhalte sind zu kurzen Beiträgen aufbereitet. Wer sitzt morgens schon eine Stunde vorm Fernseher? Nachrichten/Wetter wiederholen sich im halbstündigen Rhythmus, bestimmte Beiträge werden mehrfach gesendet. Okay, die Schlagzahl hat sich erhöht. Statt Helmut Kohl kommt Guido Westerwelle, allerdings eher zu ARD und ZDF. Bei den Privaten liegt das Schwergewicht weniger auf aktuellen Nachrichten, Reportagen und Wirtschaft, mehr auf Boulevardthemen, Service, Gewinnspielen, Musik und Werbung für andere Programme des Senders. „Klar, gibt es bei Sat1 immer so ein bisschen das Stigma des Boulevardfernsehens“, sagt Simone Panteleit letzte Woche bei einer Journalistenrunde in der Stralauer Allee, „aber zu uns kommen eben auch Günter Wallraff, Hellmuth Karasek und Bob Geldof.“

Gehen dann um zehn Uhr die Lichter im Studio aus, freuen sich die Moderatoren des Frühstücksfernsehens auf den Mittagsschlaf. Sie schwärmen von der Freiheit, die ihnen dieses Format lässt. „Vieles kommt aus dem Bauch“, so Killing. Andere Sendungen seien durchdesignt. Der Charme des Sat-1-Frühstücksfernsehens liege auch darin, dass nicht vom Prompter abgelesen wird, dass sich die Moderatoren schon mal vor der Kamera gegenseitig überraschen. „Das Allerwichtigste am Morgen ist, dass man die Menschen nicht erschreckt, sondern dass man sie sanft, aber präzise in den Tag bringt“, sagt RTL-Hauptmoderator Wolfram Kons, der 21 Dienstjahre am Morgen vorweisen kann. Sein Sender konzentriert sich auf „die Kernzeit des Aufstehens“ zwischen sechs und 7 Uhr 30, während das Team von Sat1 von halb sechs bis zehn in zwei Schichten moderiert. Highlight bei Sat1 ist die Bulldogge Lotte, die einem Kameramann gehört.

Ob und vor allem bei welchem Sender einem das Morgenprogramm mit seinem Wechsel von Nachrichten, Sport, Wetter, Interviews, Tipps, Klatsch und Tratsch am besten gefällt, ist Geschmackssache. Mehr Westerwelle? Mehr Lotte? Für den Zuschauerpreis beim Deutschen Fernsehpreis 2012 (Verleihung am 2.10.) kann das beste Frühstücksfernsehen online oder per Telefon gewählt werden. Das Verhältnis der Moderatoren der vier verschiedenen Magazine untereinander sei sehr gut, gar nicht von Konkurrenz geprägt, sagt Jan Hahn. Rein quotenmäßig ist das ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Das wöchentlich wechselnde Morgenmagazin von ARD und ZDF erreicht 630 000 Zuschauer (Marktanteil 19,5 Prozent), „Punkt Sechs“ bei RTL 470 000 (16,5 Prozent), „Sat1 Frühstücksfernsehen“ 530 000 Mio. (15,4 Prozent). Die Publikumsabstimmung läuft bis 2. Oktober.RTL PUNKT 6] Die vier Moderatoren von Sat1 ziehen dafür diese Woche mit der Aktion „Mission 25 – Wir wecken Deutschland“ auf Jubiläumstour quer durch die Republik. Vorsicht also, falls es um sechs Uhr an der Tür klingelt und aufgedrehte Fernsehmenschen vor der Tür stehen.

„Frühstücksfernsehen“, Sat 1, 5 Uhr 30; „Punkt 6“, RTL, 6 Uhr

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