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Magazine: In 33 Kopien um die Welt

Ausleihen statt ausdenken: Warum Verlage mit Lizenz-Titeln oft weniger riskieren als mit neuen Marken. Nun wird auch "Women's Health" in Deutschland eingeführt.

Es gibt Versprechen, die ziehen fast überall: Heute haben Sie den besten Sex des Lebens! Das wird Ihr schönster Sommer. Schlank & Sexy. Flacher Bauch, perfekte Beine. In nur sechs Wochen zur Bikini-Figur.

Erfüllen will diese Versprechen nicht eine gute Fee, sondern ein Magazin: die „Women’s Health“. Mit Texten zu Schönheit, Sport und Sex findet sie Leserinnen in 24 Ländern, darunter in Amerika, Australien, Brasilien und Thailand. Seit April gibt es das Heft auch in Deutschland, 100 000 Exemplare sind nach Angaben des Verlags Motor Presse Stuttgart bereits verkauft worden.

Weil es in dem eng besetzten deutschen Zeitschriftenmarkt nicht gerade leicht ist, mit einem komplett neuen Titel sowohl bei Anzeigenkunden als auch bei Lesern auf Interesse zu stoßen, wählen viele Verlage den scheinbar leichteren Weg und bringen ein Heft heraus, das sich bereits in anderen Ländern erfolgreich verkauft. Lizenz-Titel werden diese Magazine genannt. Fast jeder deutsche Zeitschriftenverlag hat sie in seinem Portfolio: Marquard Media beispielsweise die „Cosmopolitan“ und die „Shape“, Bauer „Intouch“, Axel Springer den „Rolling Stone“, Klambt gibt die „Grazia“ heraus und will nun auch das US-Lifestyleblatt „Martha Stewart Living“ nach Deutschland holen. Und der Burda-Verlag, bei dem bereits „Elle“, „Playboy“ und „Instyle“ erscheinen, erwägt, mit der „Harper’s Bazaar“ einen weiteren Lizenz-Titel nach Deutschland zu holen.

„Ein Heftkonzept, das in anderen Märkten bereits erprobt wurde, erleichtert den Markteintritt“, sagt Regine von Kameke von Burda. Lesern ist ein Lizenz-Titel und sein Konzept oft schon durch Reisen oder vom Hörensagen bekannt. Auch Anzeigenkunden werden schneller aufmerksam. „Wenn eine Zeitschrift bereits in 22 anderen Ländern erfolgreich ist, sind Anzeigenkunden sicher eher dazu geneigt, in den Titel zu investieren, als wenn man sie erst lang und breit vom Konzept eines bisher namenlosen Titels überzeugen muss", sagt Henry Allgaier, der als Geschäftsführer von Rodale-Motor-Presse nicht nur die „Women’s Health“ verantwortet, sondern auch das männliche Pendant „Men’s Health“, das in 40 Ländern erscheint, und die „Runner’s World“, die in 16 Ländern verkauft wird.

Markus Boden, der mit seinem Verlag All Type Media das Männermagazin „FHM“ herausgibt, ist vom Konzept der Lizenz-Titel sogar so sehr überzeugt, dass er einen eigenständigen Titel kaum mehr machen wollen würde: „Einen neuen Printtitel auf den Markt zu bringen, ist ein gewaltiges Risiko und erfordert einen finanziellen Gewaltakt, um ihn bei Anzeigenkunden und Lesern zu platzieren. Mit einem bereits eingeführten Lizenz-Titel wie ,FHM’ hingegen gibt es eine Basis, auf die man aufbauen kann.“

Was die Lizenz-Titel so attraktiv macht, ist auch das große Netzwerk, auf das die Redaktionen zurückgreifen können. Für viele Titel wie beispielsweise die „FHM“ gibt es eine Datenbank, in der die Fotos und Artikel von Kollegen aus den anderen Ländern eingesehen und bei Interesse genutzt werden können. Oft muss für das Material nicht extra gezahlt werden, sondern es ist von der Lizenz-Gebühr gedeckt. Doch ist beim Austausch Vorsicht geboten, sagt Henry Allgaier: „Wenn die Texte eins zu eins übersetzt und beispielsweise ständig nur US-Experten zitiert würden, wäre das für die Leser schnell ermüdend. Wir übernehmen deshalb meistens nur Bilder und Illustrationen, die global funktionieren, ansonsten arbeitet die Redaktion von ,Women’s Health’ weitestgehend selbstständig und lässt sich höchstens von Ideen der Kollegen inspirieren.“

Wie ein Seismograf müssten die Journalisten die Bedürfnisse der Leser demnach auch in dem jeweiligen Land erkennen, und den Lizenz-Titel dann im Rahmen der vom Lizenz-Geber bestimmten Philosophie gestalten, sagt Waltraut von Mengden, Geschäftsführerin der Marquard Medien Verlagsgesellschaft: „Deutsche Frauen bevorzugen beispielsweise bei den Models eine natürlichere Ausstrahlung als die amerikanischen Frauen.“

Auch wenn derselbe Name draufsteht, unterscheiden sich die Lizenz-Titel deshalb in den jeweiligen Ländern deutlich voneinander. So würde es den Machern der „Vogue“ kaum in den Sinn kommen, eine Produktion von Kollegen zu übernehmen – und trotzdem gibt es manchmal Doppelungen. So präsentierten die deutsche, die französische und die spanische „Vogue“auf dem April-Cover das gleiche Spitzenkleid von Dolce & Gabbana, jedoch komplett unterschiedlich fotografiert. Den eigenen Stil zu pflegen, ist für „Vogue“-Chefredakteurinnen Pflicht. „Bei Condé Nast wird viel Wert auf die lokale Autonomie gelegt, sehr viel selbst produziert, und die Titel tragen in jedem Land eine individuelle Handschrift“, sagt Natascha von Laffert, Director of Licences & New Business, Condé Nast International.

Fast alle Verlage, die Lizenz-Nehmer sind, sind auch gleichzeitig als Lizenz-Geber tätig. So hat Europas größter Zeitschriftenverlag Gruner + Jahr derzeit 33 Lizenzen an Verlage in anderen Länder vergeben. Die „Geo“ erscheint beispielsweise in 18 weiteren Ländern. „Die Thematik der ,Geo’-Reportagen eignet sich sehr gut, um ein internationales Publikum anzusprechen“, sagt André Moellersmann, Leiter International Brands and Licenses bei G+J.

Um trotzdem Kontrolle über Qualität und Inhalt des Titels zu behalten, werde den Lizenz-Nehmern ein extra für die Länder produziertes „Geo“-Heft zur Verfügung gestellt, nur noch fünf bis zehn Prozent der Ausgabe müssten lokal erstellt werden. Bei der „Gala“ verhalte es sich umgekehrt. Sie erscheint in sechs anderen Ländern. 70 Prozent der Ausgabe würden lokal produziert, auf dem „Gala“-Cover seien immer Prominente aus der Region zu sehen – kein Wunder, denn deutsche Promis wie Iris Berben dürften in Syrien, Kuwait und im Libanon wenig Leser interessieren.

Doch auch wenn immer mehr Lizenz- Magazine an deutschen Kiosken liegen, glaubt Kai Helfritz, Geschäftsführer der Akademie des Verbands Deutscher Zeitschriftenverleger, nicht, dass künftig weniger Hefte extra für den deutschsprachigen Markt gegründet werden. „Es gibt jedes Jahr mehr als 120 neue Zeitschriften in Deutschland. Und Magazine wie die ,Landlust’ oder auch ,Neon’ zeigen, dass auch neue Marken erfolgreich sein können. “ Zudem sind Lizenz-Titel keine Garantie auf Erfolg. So musste Condé Nast die 2007 in Deutschland gestartete „Vanity Fair“ nach zwei Jahren wegen Misserfolgs wieder einstellen.

Henry Allgaier sieht für die „Women’s Health“ jedoch gute Chancen, sich auch in Deutschland zu etablieren. Zwei Mal erscheint das Heft noch in diesem Jahr, die nächste Ausgabe im August. Für das kommende Jahr sind mindestens sechs Hefte geplant. Vermutlich mit einigen Tipps für die Bikini-Figur – falls es damit innerhalb von sechs Wochen doch nichts wird.

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