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Mainzelmännchen im ZDF: Störfaktor Frau

Keine Missgunst, kein Neid, keine Schadenfreude: Seit fast 50 Jahren sind die ZDF-Mainzelmännchen eine reine Jungsrunde. Warum sich daran nichts ändern soll.

Das ZDF hat starke Frauen an vorderster Front. Maybrit Illner talkt zu aktuellen Themen, Marietta Slomka ordnet das Weltgeschehen im „heute-journal“ ein, Katrin Müller-Hohenstein erklärt den Sport und Carmen Nebel schunkelt die Freunde der Volksmusik zur guten Laune. Sie alle erreichen ein Millionenpublikum. Doch in einem Bereich ist und bleibt Frauen der Zutritt streng verboten: in der Runde der Mainzelmännchen.

Was die Comicfiguren angeht, ist das ZDF einfach stecken geblieben in den 60er Jahren, als Bundeskanzler Konrad Adenauer das Zweite als seinen Regierungssender etablieren wollte und dann nicht konnte. In der Frauen die Tür von außen zumachen mussten, nachdem sie den Männern in weißen Schürzchen den Kaffee serviert haben. In der eine Frau als Kanzlerin undenkbar war.

Seit 1963 leiten Anton, Berti, Conni, Det, Edi und Fritzchen die Werbeblöcke mit ihrem „Gud'n Aamd“ als Kreis fröhlicher Junggesellen ein – und daran soll sich auch heute, fast 50 Jahre später, nichts ändern. „Frauenquote brauchen wir keine. Der Markenkern sind die sechs Jungs“, saget der Chef des ZDF-Werbefernsehens, Hans-Joachim Strauch jetzt der Deutschen Presse-Agentur.

Dabei hatte Grafiker Wolf Gerlach in seinen ersten Zeichnungen sechs weibliche Pendants zu Papier gebracht. „Die eine trug beispielsweise einen Pferdeschwanz“, erinnert sich Gerlach, 84, der die Mainzelmännchen fast 40 Jahre lang fürs ZDF gezeichnet hat. Brüste, Röcke oder Absatzschuhe hatten die Mainzelfrauen nicht. „Das passte irgendwie nicht“, sagt Gerlach. Das größere Problem aber war, „dass ich sehr schnell mit den Ideen am Ende gewesen bin, was lustige Geschichten für die Mainzelfrauchen anging“, so Gerlach.

Wenn sich ein Mainzelmännchen in den Kochtopf setzte oder auf einem Staubsauger durch die Gegend düste, sei das witzig gewesen. Aber eine Frau habe doch jeden Tag mit solchen Haushaltsgegenständen zu tun. „Darüber hätte dann doch niemand gelacht“, sagt Gerlach. So forsch, zu denken, dass Mainzelfrauen womöglich auch außerhalb des Haushalts tätig sein könnten, wollte – und konnte – offenbar niemand.

"Die Mainzelmännchen sind ein eingespieltes Team"

So waren die 60er Jahre. So denkt das ZDF in Sachen Mainzelmännchen noch heute. „Die Mainzelmännchen gibt es jetzt in dieser Form fast 50 Jahre. Veränderungen hinsichtlich der Anzahl der Mainzelmännchen, egal ob Mädchen oder Junge würden den Markenkern angreifen“, glaubt Christoph Lüken, Marketing-Leiter des ZDF-Werbefernsehens. Auch Martina Sasse, Produktionsleiterin der Mainzelmännchen, hält die Einführung einer weiblichen Figur für keine gute Idee: „Mädchen sind unserer Ansicht nach nicht angesagt.“

Dabei gibt es genügend Vorbilder, wie gut die Paarung Frau und Mann funktioniert: „Superwoman“ schwebte 1947 das erste Mal neben „Superman“ los, Barbie, 1959 von Mattel auf den Markt gebracht, bekam bereits zwei Jahre später Ken an ihre Seite, 1966 schlüpfte Julie Newmar ins hautenge Lederoutfit, um als Catwoman den Counterpart zu Batman zu geben, Spider-Woman debütierte 1977 als Comicfigur. Und für die Zeichentrickumsetzung des „Biene Maja“-Romans, wurde mit der Drohne Willi und dem Grashüpfer Flip eigens zwei männliche Gegenstücke geschaffen.

Zwar wurden auch die Mainzelmännchen immer wieder überarbeitet, seit sie am 2. April 1963 zum ersten Mal im Fernsehen zu sehen waren, zum letzten Mal 2003. Die Figuren wurden im Laufe der Zeit schlanker und einheitlicher, auch die Eigenschaften sind neu definiert und genauer beschrieben worden, so Produktionsleitern Sasse. So ist Anton das faule, Berti das fleißige, Conni das musische, Det das schlaue, Edi das schelmische und Fritzchen das sportliche Mainzelmännchen. Aber eine Frau ist ihnen nie gegönnt worden. Gerlachs Entwürfe blieben in der Schublade liegen – nur einmal wurden sie herausgeholt, erinnert sich Gerlach: „Zu einer Internationalen Funkausstellung wurden sie den Besuchern des ZDF-Stands präsentiert. Danach sind sie wieder in den Tresor zurückgewandert“, sagt Gerlach.

3,3 Millionen Zuschauer verfolgen die Mainzelmännchen-Spots

In der Zeichentrickserie „Die Mainzels“, die das ZDF in seinem Kinderprogramm „tivi“ sendete, kam es quasi zur Revolution. Rund um die sechs Mainzelmännchen tauchten zwei Mädchen namens Lea und Zara auf. Mit ihrem Hund Guudnberg zogen sie bei den „Mainzels“ ein. Das Format wurde nach einer Staffel eingestellt. Lea und Zara schafften es nicht bis ins Vorabend-Programm.

3,3 Millionen Zuschauer verfolgen hier zwischen 17 und 20 Uhr nach Angaben des ZDF heute durchschnittlich die meist nur drei Sekunden langen Mainzelmännchen-Spots. Bisher wurden mehr als 50 000 Folgen produziert. Pro Monat kommen rund 800 neue dazu. Erstellt werden sie von der NFP animation film GmbH in Wiesbaden, etwa 30 Leute sind an der Herstellung beteiligt. Fünf bis sechs Wochen dauerte es von der Planung bis zur Abnahme eines Filmchens – und dabei müssen genaue Vorgaben eingehalten werden: „Bei den Mainzelmännchen gelten die zehn Gebote und sensible Themen wie Geld werden auch entsprechend sensibel behandelt“, sagte der Werbefernsehen-Chef Strauch der dpa.

Von den Geschichten müsse immer eine positive Atmosphäre ausgehen. „Mainzelmännchen kennen keine Missgunst, keinen Neid und keine Schadenfreude“, sagt Christoph Lüken.

Dafür sind die Mainzelmännchen sportlich. Während der jüngsten Fußball-Europameisterschaft in Polen und der Ukraine gab es zum Beispiel nur Mainzelmännchen-Filme mit Bezug zum Fußball. Und wenn am Freitag die Olympischen Spiele in London beginnen, werden diese in den Mainzelmännchen-Spots thematisch ebenfalls begleitet. Doch trotz aller Harmlosigkeit kommt es immer wieder vor, dass sich Zuschauer ärgern. „Wir haben ungefähr fünf bis zehn Zuschriften und Anrufe pro Woche“, erzählte Produktionsleiterin Tenter der dpa. Kürzlich habe sich ein kleines Mädchen beklagt, dass Mainzelmännchen Edi in einem Film ins Wasser gesprungen sei bei Gewitter – wo das doch gefährlich sein kann. „Bitte anders machen“, bat sie per Brief.

Nur ganz versteckt lässt das ZDF Frauen an die Mainzelmännchen heran. Bei Veranstaltungen des Senders treten regelmäßig überlebensgroße Mainzelmännchen auf, sogenannte Walking Acts – in den Kostümen stecken auch Frauen. Mehr ist nicht drin.

Gerlach, Zeichner der ersten Stunde, findet das auch richtig so. „Die Mainzelmännchen sind ein eingespieltes Team.“ Ein Junggesellenabschied wird in Mainz vorerst nicht gefeiert.

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