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Sie haben abgeschrieben: Die Politiker Annette Schavan (l.o.), Karl-Theodor zu Guttenberg (r.o.), Silvana Koch-Mehrin und Jorgo Chatzimarkakis. Fotos: dpa, rtr

© picture alliance / dpa

Martin Heidingsfelder: Im Hauptberuf Plagiats-Jäger

Mit VroniPlag fing für ihn alles es an: Inzwischen sucht Martin Heidingsfelder hauptberuflich Plagiate. Sein nächstes Projekt: Er will alle Bundestags-Doktortitel überprüfen.

„Plagiatsjagd“ – das klingt ein bisschen nach Großwildsafari. Zwar werden bei der Doktorensafari von Zeit zu Zeit auch hohe Tiere erlegt, die tägliche Arbeit von Martin Heidingsfelder ist allerdings nicht gerade glamourös. Viel davon findet im Büro statt. „Das ist harte Arbeit“, sagt er in einem Hochdeutsch, dem man die fränkische Herkunft noch deutlich anmerkt. Bis sich der 47-jährige Nürnberger in die Bibliothek zurückziehen und Original und Quelle vergleichen kann, müssen Doktorarbeiten besorgt, eingescannt und elektronisch durchsuchbar gemacht werden. Und dann bräuchte Heidingsfelder Zeit und Ruhe – mit der ist es allerdings vorbei, seit zuerst Annette Schavan ihren Doktortitel verlor und dann Heidingsfelders neuestes Produkt an den Start ging. Ende Januar, zum anlaufenden Bundestagswahlkampf, hat er das Projekt Politplag angekündigt. Dort sammelt er Geld, um die Dissertationen aller Bundestagsabgeordneten auf Plagiate zu untersuchen. Schon mit 20 Euro kann man sich beteiligen und einen Wunschkandidaten aussuchen. Geprüft werden die meist gewünschten Namen. Ganz oben im Voting stehen Verkehrsminister Dr. Peter Ramsauer oder die bayerische Justizministerin Dr. Beate Merk. Aber auch der Name von Dr. Angela Merkel fällt immer wieder.

2011 war Martin Heidingsfelder der erste aus dem Umfeld der Plagiatsjäger von Guttenplag (suchte Plagiate von Karl-Theodor zu Guttenberg) und Vroniplag Wiki, der seine Identität öffentlich machte. Seitdem ist er in vielen Medien das Gesicht für die Jagd auf Plagiate von Politikern. Heidingsfelder legt Wert darauf, dass man ihn als Gründer der Plattform Vroniplag bezeichnet. Er hat das Portal im März 2011 angelegt. Die Guttenplag-Macher waren unsicher, ob sie die Dissertation von Stoiber-Tochter Veronica Saß untersuchen sollten. Heidingsfelder hatte keine Zweifel und gründete Vroniplag. Auf Wikipedia wird er nur als Mitgründer bezeichnet. Das macht ihn wütend. Warum ihm die Gründerschaft so wichtig ist? „Weil diese Menschen ständig behaupten, ich hätte nichts geleistet.“ Er habe viel Zeit investiert und Aufwand betrieben. Und jetzt wollen ihm andere diese Leistung streitig machen. Aufstieg und Fall von Karl-Theodor zu Guttenberg wird am Dienstag auf Sat 1 in der Politsatire „Der Minister“ thematisiert.

Der Kampf gegen Ungerechtigkeit – ob gegen sich oder andere – scheint die Hauptantriebsfeder von Heidingsfelder zu sein. Dass Annette Schavan versuchte, die Sache auszusitzen, obwohl sie nachweislich mehr als unsauber gearbeitet hatte, ärgerte ihn. Also legte er nach, warf ihr Eigenplagiate vor und forderte ihren Rücktritt. „Sie hätte viel früher zurücktreten müssen, sie kann nicht als Bildungsministerin Geld verteilen, wenn sie plagiiert hat.“ Heidingsfelder untersucht auch Nicht-Politiker, doch die politischen Fälle sind ihm besonders wichtig. Auch der Fall von Veronica Saß war für ihn politisch, weil es die Stoiber-Tochter leichter hatte als andere: „Die Eliten reproduzieren sich selbst“, sagt er. „Nicht die Besten kommen weiter, sondern die mit den besten Beziehungen.“

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Heidingsfelder ist der einzige aus dem Vroniplag-Wiki-Umfeld, der die Plagiatsjagd professionell betreibt. Auf der Internetseite vroniplag.de bietet er seit etwas mehr als einem Jahr seine Dienste als Plagiatsjäger an. Auftraggeber sind Privatpersonen, die ihren Kollegen nicht über den Weg trauen, aber auch Firmen, die vor Personalentscheidungen Kandidaten durchleuchten.

Bei Vroniplag-Wiki wurde Heidingsfelder im Juni 2011 vor die Tür gesetzt. Die Atmosphäre zwischen den Streitparteien ist vergiftet. Er – der Gründer – werde gemobbt, die anderen seien nur neidisch, dass er im Rampenlicht stehe, sagt Heidingsfelder. Er – der allenfalls Mitgründer sei – halte sich nicht an Absprachen und schade dem Projekt durch seine selbstherrliche Öffentlichkeitsarbeit, sagen die anderen. Die anderen, das ist der Schwarm der großenteils anonymen Plagiatsucher bei Vroniplag Wiki, die nach wie vor ehrenamtlich arbeiten.

Im Umfeld der Plagiatsjäger hat Heidingsfelder eine schwierige Rolle. Einerseits weiß er, dass es nicht auf Gegenliebe stößt, wenn er sich als das Gesicht des Kampfes gegen unlautere Wissenschaft in den Vordergrund stellt, andererseits gehört das zu seinem Geschäftsmodell. Dem „Spiegel“ gab Heidingsfelder im Juli 2011 – damals noch unter dem Pseudonym „goalgetter“ – ein Interview auf einem Golfplatz in Franken. Die Community warf ihm danach Selbstdarstellung vor. Heute sagt er, das Interview habe er eigentlich gar nicht machen wollen. „Es liegt mir nicht, im Mittelpunkt zu stehen. Es geht immer um das ,Wir’.“ Gleichzeitig kann er jede Publicity für sein Geschäft aber sehr gut gebrauchen.

Auf Vroniplag wird betont, es gehe dem „Schwarm“ nur um gute Wissenschaft. Prüfungsergebnisse werden den Unis zur Verfügung gestellt, politische Forderungen unterlassen. Doch die Wissenschaftswelt verbessern wollen sie auch. Heidingsfelder hält das für weltfremd. Die meisten Prüfergebnisse würden von den Unis eher unter den Teppich gekehrt. Energisches Handeln gebe es eigentlich nur, wenn die Öffentlichkeit Druck macht. Deshalb ist Heidingsfelder für offensive Pressearbeit. Bei Vroniplag sei man zu zimperlich. „Ich kann nicht nur im stillen Kämmerlein Doktorarbeiten untersuchen. Sie kriegen Veränderungen nur hin, wenn sie die mediale Begleitung auch machen.“ Und dafür ist Heidingsfelder der richtige Mann. „Ich habe schon zu Guttenplag-Zeiten in Berlin rumtelefoniert, weil ich die Kontakte habe.“ Heidingsfelder glaubt zu wissen, wie das Spiel mit den Medien geht. Er nennt das seine „Trickkiste“.

Medienkontakte hat er unter anderem aus der Zeit als SPD-Funktionär in Nürnberg. Inzwischen hat er allerdings dieSeiten gewechselt. Für die Piratenpartei kandidiert er sowohl bei der bayerischen Landtagswahl, als auch für den Bundestag. Dass er in Zukunft Kollegen überprüft, ist bei Listenplatz 25 allerdings unwahrscheinlich. Dass alle Bundestagsdoktoren von Politplag überprüft werden können, scheint zudem utopisch. Es gibt weit über 100 Doktoren im Bundestag. Bislang sind allerdings nur knapp über 2500 Euro zusammengekommen, für einen Prüfungstag berechnet Heidingsfelder bereits 500 Euro. Die meisten Abgeordneten können also noch beruhigt schlafen.

Der Nürnberger Diplomkaufmann Martin Heidingsfelder setzt auf Crowdfunding. Ab 20 Euro kann man sich beteiligen und einen Wunschkandidaten für die Plagiatssuche benennen.

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