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Immer ein Objekt der Medienbegierde: das Auto

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MEDIA Lab: Lackküsser und Felgenstreichler

Margreth Lünenborg sieht eine gefährliche Synchronisation von Nachricht und Werbung, wenn Medien über die Automobilindustrie berichten

Über Unternehmen wird im "Spiegel" wie im "Focus" 1. häufiger, 2. freundlicher und 3. mit mehr Produktnennungen berichtet, je mehr Anzeigen diese Unternehmen schalten. Zu diesem Ergebnis kommt jetzt ein Forschungsteam um Lutz Hagen von der Universität Dresden. Ein Jahr lang (2011) haben sie alle in den Magazinen geschalteten Anzeigen wie auch deren Unternehmensberichterstattung untersucht und dabei bemerkenswerte Zusammenhänge identifiziert, die sie selbst vorsichtig als „Synchronisation von Nachricht und Werbung“ bezeichnen. Herausragend ist dabei der Einfluss der Automobilindustrie, die als größte Anzeigenbranche redaktionell auffällig positiv wahrgenommen wird. Das Problem ist alt: Um die Unabhängigkeit journalistischer Berichterstattung zu sichern, ist ein Gebot der Trennung zwischen Anzeigen und redaktionellem Teil festgeschrieben. Zugleich finanzieren sich journalistische Produkte maßgeblich über den Werbemarkt, sind also von Anzeigenkunden abhängig. Ein Druck, der bei aktuell schrumpfenden Anzeigenerlösen an Härte zunimmt.

Während verbal das Ideal redaktioneller Unabhängigkeit bis in die Chefredaktion hochgehalten wird, lassen sich in der redaktionellen Praxis doch immer wieder Übergriffe nachzeichnen. „Advertiser pressure“, so bezeichnen amerikanische Forscher die Bemühungen um Einflussnahme und stellen für den Markt der Tageszeitungen fest: 1. Je kleiner die Zeitung, desto stärker der Einfluss durch Anzeigenkunden. 2. Je höher der Wettbewerbsdruck, desto bereitwilliger erfolgt die Aufweichung der Trennlinie zwischen Redaktion und Anzeigenabteilung. Die aktuellen Daten zu "Spiegel" und "Focus" müssen deshalb besorgt machen. Als selbst ernanntes "Flaggschiff der Demokratie" ist der "Spiegel" mit besonderen Erwartungen an seine Unabhängigkeit konfrontiert. Sind in vielen digitalen Formaten Grenzen zwischen Produktwerbung und journalistischer Leistung kaum mehr auszumachen, so basiert das Vertrauen in professionellen Journalismus maßgeblich auf seiner Leistung als unabhängiger Beobachter. Das wissen auch Werbekunden: Wenn journalistische Produktberichterstattung stets positiv ausfällt, werden Anzeigen überflüssig – aber langfristig auch der Journalismus.

Margreth Lünenborg

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