zum Hauptinhalt

Medien: „Medien sind von sich besessen“

Alastair Campbell gilt als lebende PR-Legende – Journalisten mag er gar nicht

„Zynische Bestien“, „billiger Müll“ – wenn Sie über Medien sprechen, klingt es selten freundlich, Mister Campbell. Warum?

Ihr habt immer das letzte Wort.

Gilt das auch für deutsche Medien?

Vielleicht für euch nicht so sehr. Für britische Medien auf jeden Fall! Bei uns gibt es keine interne Mediendebatte. Die kümmern sich alle gut umeinander. Ich habe als Journalist gearbeitet, kenne beide Seiten, und ich weiß: Es gibt viel Schlechtes.

In den britischen Boulevardmedien?

Überall. Nehmen Sie die Olympischen Spiele 2012 in London. Während unserer Bewerbung sind fast alle über uns hergefallen: „Das läuft schief, es kostet zu viel, die armen Steuerzahler, der Verkehr, die Kriminalität, blablabla.“ Das ist die einzige Story, die sie kriegen.

Sprecher, heißt es, sollen im Hintergrund wirken. Sie sind zu Hause fast so bekannt wie Blair. Was ist da schiefgelaufen?

Warum haben die mich denn hochgeschrieben? Um sich selbst zu erhöhen: „Der Bursche ist wichtig – weil ich mit ihm rede.“ Meine Mission war es nie, bekannt zu werden.

In all den Jahren als Sprecher von Tony Blair: Worauf sind Sie am meisten stolz?

Dass wir gewonnen haben. Drei Mal!

Wie viel vom Erfolg geht auf Ihr Konto?

Ach, ich weiß nicht.

Das sagen Sie, der „Antichrist“ der PR, wie Sie sich selbst einmal genannt haben?

Das war doch eine gezielte Strategie unserer politischen Gegner, den Eindruck zu vermitteln, dass Tony Blair alleine nicht zurechtkommt. Nun, er hat gezeigt, dass er alleine sehr gut zurechtkommt.

Sind Sie jetzt nicht etwas zu bescheiden?

Ich sage Ihnen, worauf ich stolz bin: Als ich 2003 zurückgetreten bin, hat mir Bertie Ahern, der irische Ministerpräsident, einen Brief geschrieben. Darin stand, dass es Zeiten gab während der nordirischen Friedensverhandlungen, in denen ich dafür gesorgt habe, dass die Gespräche nicht stoppten. Weil ich die öffentliche Erzählung geformt habe.

Wie formt man etwas, was andere sich ausdenken und wieder andere kommentieren?

Durch disziplinierte Botschaften. Ein Beispiel: Kosovo, 1999. Wir dachten, die Nato, der Weltretter. Aber es ist nur eine Struktur – ohne Infrastruktur für eine globale Kommunikationskampagne.

Schwupps saßen Sie im Hauptquartier.

Die haben mich gefragt, und ich habe es dann mit Jamie Shea (Anm. d. Red.: damaliger Nato-Sprecher) zusammen gemacht. Wie? Jede Maßnahme wurde koordiniert. Denken Sie an den Brief von Blair und Clinton, der in jedem muslimischen Land der Welt erschienen ist.

Das waren Sie?

Das waren wir. Shea hat nicht gesprochen, wenn Blair redete, Blair nicht, wenn Clinton dran war. Wir haben versucht, 24 Stunden lang die Nachrichten zu füllen. Zu unseren Bedingungen.

So ganz hat das aber nicht geklappt.

Als unsere Erzählstruktur stand, haben wir zumindest die Agenda gesetzt. Wesley Clark, der Nato-Oberbefehlshaber, hat gesagt, dass wir ihm erst den Raum verschafft haben, seinen Job zu machen.

Ist Ihre Arbeit für Labour erledigt?

Ich werde Gordon Brown vielleicht im nächsten Wahlkampf ein bisschen helfen.

Gegen David Cameron, den Tory-Chef und Medienstar?

Ach, Cameron. Warum sind denn gerade alle so nett zu ihm? Damit sie später einen blutigen Kampf inszenieren können. Der Mann ist flach, hat keinen Tiefgang. Außerdem ist er gar nicht so grün, wie er immer tut. Der fährt mit dem Fahrrad ins Büro, und dahinter folgt das Auto.

Mit seinen Bodyguards?

Mit seiner Aktentasche.

Würden Sie je für die Tories arbeiten?

Nie!

Was würden Sie sagen, wenn eines Ihrer Kinder Sie fragen würde: „Was soll ich werden, Dad, Journalist oder Pressesprecher?“

Tu, was du willst!

Sie würden Ihre Kinder der „Bestie“ zum Fraß vorwerfen?

Einer der Gründe für meine Wut auf die Medien ist der: Journalisten leben eines der privilegiertesten Leben, die man führen kann. Sie können jeden ansprechen, mit dem sie reden wollen. Sie können reisen. Sie sehen Leute und Orte, die die meisten Menschen niemals zu Gesicht bekommen. Trotzdem sind sie besessen von sich selbst. Sie, zum Beispiel, schreiben für eine Medienseite, warum?

Weil Medien wichtig sind. Damit Medien andere Medien beobachten.

Den meisten Leuten ist es doch völlig egal, wenn ein Journalist einen anderen interviewt.

Sollte ich lieber kündigen, wie Sie damals?

Nein, kündigen Sie nicht. Aber nehmen Sie Ihren Job auch nicht zu ernst.

Das Interview führte Marc Felix Serrao.

-

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false