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Medien: Medienrepublik (108)

Matthias Kalle über den Werteverfall journalistischer Arbeit Manch einer empfindet es ja als Tragödie, dass sein Handeln und Tun und Denken zu Lebzeiten nicht gewürdigt wird – nicht nur Journalisten treibt dies in die Verzweiflung, auch den Bäcker, den Tierpfleger, den Werber. Den vor allem.

Matthias Kalle über den Werteverfall journalistischer Arbeit

Manch einer empfindet es ja als Tragödie, dass sein Handeln und Tun und Denken zu Lebzeiten nicht gewürdigt wird – nicht nur Journalisten treibt dies in die Verzweiflung, auch den Bäcker, den Tierpfleger, den Werber. Den vor allem. Aber die Klagen der Journalisten ob dieser Ungerechtigkeit sind die lautesten. Neulich in einer Runde von frustrierten, melancholischen Kollegen fragte einer: „Was soll ich denn noch machen, damit mein Werk für immer strahlt?“ Ein anderer wunderte sich: „Wo ist die Sänfte? Warum trägt mich hier keiner?“

Ja, warum eigentlich nicht? „Schuld“, sagte daraufhin ein Kollege, „sind die Partygranaten.“ Das ist so falsch nicht, aber dazu muss man Folgendes wissen: Vor zwei Wochen boten sich sechs Mädchen aus Gütersloh (Stefanie, Petra, Andrea, Kerstin, Christine und Nicole) als „Sixpack“ beim InternetAuktionshaus eBay an. Ihr Versprechen: Wenn ihr uns ersteigert, kommen wir mit einer Kiste Bier zu eurer Party und bringen auch noch gute Laune mit.

Einem 23-Jährigen war das 25050 Euro wert, er überwies das Geld, die Party wird in ein paar Wochen stattfinden, RTL wird dabei sein, eine Brauerei stellt das Bier, die Mädchen haben jetzt ihre eigene Homepage und prüfen Werbeverträge. Dann, am letzten Dienstag, wurde auf eBay für vier Frauen, die sich „Partygranaten“ nennen, die Summe von 10 Millionen Euro geboten. eBay brach die Versteigerung ab, da war der Hype aber nicht mehr zu stoppen.

Die „Partygranaten“ und das „Sixpack“ haben es in der Medienrepublik in der vergangenen Woche also zu einigem Ruhm und Geld gebracht – während journalistische Spitzenprodukte bei eBay eher verramscht werden. Da kann man also, wenn man denn will, alle 270 bisher erschienenen „Geo“-Hefte für 67 Euro ersteigern. Oder den „Spiegel“ mit der Geschichte über das Unglück von Lengede aus dem Jahre 1963 für zehn Euro. Immerhin: Die erste Ausgabe des Magazins „Mare“ von 1997 kostet 240 Euro.

Was passiert da gerade? Löst eBay die Müllabfuhr ab, die Entrümplungsfirmen, die Reinigungsfachkräfte? Was kommt da noch auf uns zu? Nach Partygranaten und Altpapier? Kartoffelsalat vom letzten Wochenende? Ein Tisch ohne Beine? Unser Oma ihr klein Häuschen? Oder vielleicht doch eine Gruppe höchst frustrierter und melancholischer Journalisten, die man mieten kann?

Die kommen dann vorbei, eine Flasche Wacholder und eine Flasche Korn im Gepäck, und verbreiten mal so richtig schlechte Laune. Das ist natürlich noch nichts für die Ewigkeit, aber es wäre ein Anfang. Man müsste halt mal über eine Verfilmung nachdenken.

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