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Medien: Medienrepublik (119)

ist sich sicher, dass Kant die Stilseite in der „SZ“ lesen würde Wir können hier auch mal anders – nicht immer nur so lustig oder polemisch oder gar zynisch – nö, wir können auch schlau und gebildet und das geht dann so: Immanuel Kant, langsam weiß das ja jeder, ist kommenden Donnerstag 200 Jahre tot, aber als er noch lebte, und das wissen nämlich die wenigsten, hat er sich auch so seine Gedanken zur Mode seiner Zeit gemacht. Kant kam zu dem Schluss: „Man muss lieber ein Narr in der Mode, als ein Narr außer der Mode sein.

ist sich sicher, dass Kant die Stilseite in der „SZ“ lesen würde

Wir können hier auch mal anders – nicht immer nur so lustig oder polemisch oder gar zynisch – nö, wir können auch schlau und gebildet und das geht dann so: Immanuel Kant, langsam weiß das ja jeder, ist kommenden Donnerstag 200 Jahre tot, aber als er noch lebte, und das wissen nämlich die wenigsten, hat er sich auch so seine Gedanken zur Mode seiner Zeit gemacht. Kant kam zu dem Schluss: „Man muss lieber ein Narr in der Mode, als ein Narr außer der Mode sein.“ Also war der Philosoph aus Königsberg auch in diesen Dingen ein Vordenker; war Kant am Ende der erste Metrosexuelle?

Nein, wahrscheinlich nicht. Sehr wahrscheinlich ist es aber, dass Kant, lebte er heute, ein Anhänger der Stilseite in der Wochenendbeilage der „Süddeutschen Zeitung“ wäre. Jedenfalls meistens. Denn meistens wissen die Redakteure an diesem Ort zu unterhalten und zu informieren; einen Satz wie: „Manche Menschen haben Partner, die ihnen einfach nicht stehen“, hätte der Philosoph abgenickt. Was aber hätte Kant von dem Text gehalten, der vergangenen Samstag abgedruckt wurde und in dem ein Autor behauptete, ein Reporter könne von der Comic-Figur Tim lernen, wie man sich anzuziehen habe? Da steht also, unter der Überschrift „Gute Journalistenschule“: „Ein Reporter trägt sachlich-elegante Kleidung und bleibt dem einmal gewähltem Stil so treu verbunden, wie seinem Hund.“ Wie dieser Stil aussieht? Antwort: „Brauner Anzug von Helmut Lang oder Jil Sander, dazu einen hellblauen Kaschmirpulli von Lucien Pellat-Finet, ein weißes Hemd von Ermengildo Zegna, Socken von Yves Saint Laurent und graue Maßschuhe von Gucci.“ Ach so. Muss man denn eigentlich, um ein guter Journalist zu sein, auch Recherchieren und Schreiben können? Wohl nicht, der Text jedenfalls liefert dafür keine Anhaltspunkte.

Die Wirklichkeit dann aber schon, und in der sieht es ein bisschen anders aus, denn die besten Reporter Deutschlands – also die, die Ideen haben, die sich für den Menschen und seine Geschichte interessieren, die alles wissen und alles verstehen wollen und am Ende ihrer Recherchen doch nur verzweifelt sind, und die das dann so aufschreiben, dass man beim Lesen schier verrückt wird und sich fragt: Wie machen die das bloß? – die besten Reporter Deutschlands also, die sehen allesamt so aus, als kämen sie gerade vom Spargelstechen oder nachts um halb vier aus einer Dorfkneipe. Einer von ihnen, das darf und muss man hier verraten, kaufte sich seinen ersten Anzug mit fast 40 Jahren. Jetzt trägt er ausschließlich Anzüge, aber er sieht darin immer noch so aus, als würde er nachts um halb vier aus einer Dorfkneipe kommen, auch mittags um eins.

Aber ein guter Reporter weiß: Irgendwo auf der Welt ist es immer halb vier in der Nacht.

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