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Medien: Medienrepublik (66)

Harald Martenstein über eine NichtAffäre im Hause S. Selten haben sich die Medien so intensiv mit einem Nichtereignis befasst wie in dieser Woche mit der Nichtaffäre des Bundeskanzlers mit niemandem.

Harald Martenstein über eine NichtAffäre im Hause S.

Selten haben sich die Medien so intensiv mit einem Nichtereignis befasst wie in dieser Woche mit der Nichtaffäre des Bundeskanzlers mit niemandem. Warum diese ganze Aufregung? Die alten ethischen Gebrauchsanweisungen der Medienbranche funktionieren nicht mehr so richtig. Die Lage ist verdammt unübersichtlich, wenn einer sein Privatleben seit Jahren so konsequent politisiert hat wie der Bundeskanzler und wenn er mit seiner Frau als politisches Team auftritt. Über private Gerüchte wird nicht berichtet, aber was ist mit den politischen Gerüchten? Dass Angela Merkel und Edmund Stoiber sich relativ frühzeitig über die Entmachtung von Friedrich Merz geeinigt hätten, war ein Gerücht, das in der Zeitung stand. Im politischen Teil enthält so mancher Satz das Verb „sollen“ und nicht das Verb „haben". Schröders Privatleben aber befindet sich in der Grauzone zwischen dem Politischen und dem Privaten, das ist die selbstgebaute Falle, in der er nun sitzt. Er hat aus den Erfahrungen mit Hillu nichts gelernt. Was sagt das über den Politiker Schröder?

Das Schröder-Gerücht über eine Ehekrise hat eine politische Seite. Das macht die Sache so gefährlich für ihn. Denn im privaten Bindungsstil des Kanzlers scheint sich in den Augen des neugierigen Publikums sein politischer Stil zu spiegeln und umgekehrt. War er nicht immer gut für einen Kurswechsel? Heute links, morgen rechts, je nachdem, was besser ankommt? Hat er nicht in all den Jahren Weggefährten und Ehefrauen mit der gleichen kühlen Effizienz weggeräumt, wenn sie ihm nicht mehr gefielen? Im Moment steckt Schröder in einem politischen Tief. Ist es da nicht folgerichtig, dass private Turbulenzen dazukommen? In einem Hollywoodfilm wäre es genauso.

Viel ist geschrieben worden über Schröder als den Repräsentanten einer nur scheinbar starken Generation, die sehr gut gerüstet war für die Eroberung der Macht, die aber nicht weiß, was sie will und was sie mit der Macht anfangen soll. Und im Privaten? Schröder teilt den Lebensstil vieler Menschen seiner Generation, die Experten sagen „serielle Monogamie“ dazu. Er hat sich immer nur für ein paar Jahre gebunden. Mit der seriellen Monogamie verhält es sich wie mit der Homosexualität – beides ist heute in weiten Kreisen der Bevölkerung als Lebensstil akzeptiert. Aber nur wenige Politiker wagen es, sich dazu zu bekennen. Die meisten tun noch bei der vierten oder fünften Ehe so, als sei es für immer. Sie glauben, dass sie dem Publikum eine Fassade traditioneller Wohlanständigkeit vorgaukeln müssen, die in Wirklichkeit nur noch eine Minderheit von ihnen erwartet.

Das Schröder-Gerücht ist für das Publikum nur deshalb interessant, weil der Bundeskanzler auf der Lesart beharrt, er sei nun, beim vierten Versuch, ein allzeit treuer Mustergatte geworden. Vielleicht stimmt es, vielleicht auch nicht – was soll’s, das geht nur ihn und Doris etwas an. Statt mit den Achseln zu zucken, bemüht er die Gerichte. Er verteidigt seine Ehre. Die „Bild"-Zeitung steht hinter ihm. Sind wir, 35 Jahre nach ’68, nicht längst viel weiter? In einem Märchen würde man diese Generation der zum dritten, vierten und fünften Mal verheirateten Politiker gemeinsam vor einen Spiegel führen und sagen: Schaut euch an. Nehmt euch einfach so, wie ihr nun mal seid. Versucht nicht ständig, jemand anderer zu sein. Hört nicht auf die Leute. Überlegt euch, wie ihr leben wollt und was ihr politisch durchsetzen möchtet. Und dann tut es. Denn nur daran werdet ihr gemessen.

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