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Medien: Medienrepublik (72)

Harald Martenstein über Jacques Chirac und die Angst vor Würmern Aus der Zeitung weiß man ja, dass es zwischen Indien und Pakistan ein paar politische Probleme gibt. Vor ein paar Monaten haben die Inder gegen Pakistan einen Wurm in Stellung gebracht.

Harald Martenstein über Jacques Chirac und die Angst vor Würmern

Aus der Zeitung weiß man ja, dass es zwischen Indien und Pakistan ein paar politische Probleme gibt. Vor ein paar Monaten haben die Inder gegen Pakistan einen Wurm in Stellung gebracht. Würmer sind Computerprogramme, die andere Computer lahm legen, meistens, indem sie sich selbst maßlos vermehren. Ungefähr wie Krebszellen. Der indische Wurm heißt Yaha E, und er hat für eine gewisse Zeit die Website der pakistanischen Regierung gekillt.

Die Pakistaner dagegen greifen das USInternet an. Der „Pakistan Hackerz Club“ hat einen Wurm namens „Doctor Nuker“ auf die Reise geschickt, der sich in amerikanische Unternehmen einschleicht und deren Webseiten automatisch überschreibt. Wo vorher für Root-Beer oder für Dolly-Parton-CDs geworben wurde, steht plötzlich ein Text über die Lage der Muslime in Kaschmir.

Die Amis selber sind wurmmäßig auch keine Waisenknaben. Kurz nach dem 11. September hat sich, wie man im Internet lesen kann, eine Internet-Terrorgruppe namens „Dispatchers“ gebildet. Wie es heißt, verfolgen die Dispatcher das Ziel, die Finanzstruktur arabischer Staaten zu zerstören, indem sie deren Computerprogramme von Würmern auffressen lassen. Es ist ihnen angeblich gelungen, das iranische Innenministerium lahm zu legen, aber dann haben sie aus Versehen ihren Würmern ein falsches Kommando gegeben, und die Würmer haben alle möglichen Firmen angegriffen, die früher mal Büros im World Trade Center unterhielten. Ein Kollateralschaden, typisch USA.

England ist zur Zeit das Angriffsziel eines besonders bösartigen Wurms aus Kuwait. Er heißt Yaha K. Yaha K schießt erst mal systematisch alle Antivirenprogramme des befallenen Computers ab, dann beginnt er in aller Ruhe sein restliches Zerstörungswerk. Der Computer fängt sich außer dem Wurm sehr bald noch ein paar Viren ein, und dann gute Nacht. Dabei denkt man immer: Würmer sind intellektuell und emotional unergiebig, nur Gartenfreunde oder Angler interessieren sich für Würmer. Und nun ist der Wurm in einer verfeindeten Welt plötzlich Symboltier Nummer eins.

Die „Sun“, eine englische Boulevardzeitung, hat jetzt die Politisierung des Wurmdiskurses weiter vorangetrieben. Sie haben den Oberfranzosen Jacques Chirac „Wurm“ genannt, wegen seiner ablehnenden Haltung zum Irakkrieg. Sie haben sogar eine französische Wurm-Themenausgabe produziert und in Paris verteilt. Auf französisch heißt „Wurm“ übrigens „Ver“. Es ist nur leider so, dass es sich wieder einmal um eine Verwechslung handelt. Wie gesagt: Der Wurm heißt Yaha K.

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