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Medien: Mehr Luft, mehr Lachs

Von Ulrike Simon Wer gewinnt den Titel Hauptstadtzeitung? Jahrelang kämpften die großen Berliner Zeitungen darum, das Rennen um diesen Titel zu machen.

Von Ulrike Simon

Wer gewinnt den Titel Hauptstadtzeitung? Jahrelang kämpften die großen Berliner Zeitungen darum, das Rennen um diesen Titel zu machen. Viele bis zur Erschöpfung, und trotzdem – manche sagen, gerade deshalb – verloren die meisten Auflage. Und verlieren sie noch immer: Bei der „Berliner Zeitung“ sank sie innerhalb eines Jahres um 11 066 auf 191 329 verkaufte Exemplare, bei der „Berliner Morgenpost“ um 12 890 auf 157 690. Beim Tagesspiegel stieg sie um 1149 auf 138 511 verkaufte Exemplare.

Die „Berliner Morgenpost“ aus dem Axel Springer Verlag schlägt mit einem neuen Konzept nun einen ganz anderen Weg ein und entfernt sich von der Konkurrenz. Die Zeitung grenzt sich auch ab von der „Welt“, obgleich beide Blätter mittlerweile von derselben Redaktion produziert werden.

Das Ergebnis, an dem „Morgenpost“-Chef Jan-Eric Peters und Frank Schmiechen, der Mann für die Optik, gebastelt haben, ist eine ganz neue „Morgenpost“. Am kommenden Sonntag werden die Leser ihre Zeitung kaum wiedererkennen. Das liegt nicht daran, dass die Luft zwischen den Zeilen größer geworden ist, was das Augenlicht der Leser schont. Gerade jene Seiten, auf die Zeitungen mit überregionalem Qualitätsanspruch besonders viel Mühe verwenden, wurden abgeschafft: die Seite 3 mit den Reportagen, die Meinungsseite, das klassische Feuilleton, die Medienseite – alles weg.

Und überall die lachsfarben unterlegten Kästchen, kurze Aufmacher, viele kleine Meldungen. Sogar den Schriftzug im Titelkopf hat Peters geändert. „Mein Ziel ist es, die Auflage nicht nur zu stabilisieren, sondern sie auf längere Sicht auch kontinuierlich zu steigern. Das ist schwierig, aber es wird gelingen“, sagt er zuversichtlich. Dabei geht es ihm darum, die Leser-Hochburgen in Westbezirken wie Spandau, Tempelhof, Reinickendorf und Steglitz abzusichern: „Die Chance ist gut, mit unserem lesernahen und Nutzwert orientierten Konzept ganz neue Leser zu gewinnen. Noch besser ist sie, frühere Leser zurückzuholen und sporadische fester an uns zu binden.“ Peters hat ein klares Motto ausgegeben: „Berlin, Berlin, Berlin, und immer für den Leser arbeiten.“

Die neue „Morgenpost“ will eine „moderne Heimatzeitung“ sein. Ein Blatt, das sich von der ersten bis zur letzten Seite auf die Stadt fokussiert. Das geht schon auf der Titelseite los. Nicht das große Tagesthema aus in- oder ausländischer Politik, sondern Themen aus Berlin bestimmen den Aufmacher. Einen Kommentar gibt es nur am Rand der zweiten Seite unterhalb der Karikatur, dazu Leserbriefe, von denen jeweils einer von der Redaktion beantwortet wird. Weitere Meinungsstücke stehen in Form von Einwürfen innerhalb einzelner Artikel, lachsfarben umrandet und auf wenige Zeilen beschränkt. Die Wirtschaft ist ins erste Buch, den ersten Teil der Zeitung, gewandert. Und damit ist die eher überregionale Berichterstattung auch schon beendet.

Peters erklärt das so: „Die Struktur ist einfach: alle wichtigen Informationen aus Deutschland und der Welt im ersten Buch, und dann Berlin, Berlin, Berlin in drei weitgehend lokalen Büchern: Kultur, Stadtleben und Sport“. Das Kulturbuch ist „ein Wegweiser, ein Leitfaden für die Berliner mit allen wichtigen Tipps und Terminen“. Will heißen, aus dem Feuilleton ist ein Freizeitführer geworden: Biergärten werden vorgestellt, es wird von Konzerten, Partys oder anderen gesellschaftlichen Ereignissen in Berlin berichtet, alles aufgeteilt in viele, kleine Elemente mit diversen, auch spielerischen Details. Das dritte Buch, das „Stadtleben“ heißt, um es vom Rest der Zeitung mit all ihrer Berlinbezogenheit zu unterscheiden, ist von jetzt acht auf zehn bis zwölf Seiten erweitert. Davon befassen sich drei mit den Bezirken. Die Lokalanzeiger sind eingestellt. Das vier- bis sechsseitige letzte Buch ist dem Sport gewidmet. „Das bedeutet mehr Platz für den Sport und ist sehr praktisch, weil man sich die Zeitung so gut am Frühstückstisch teilen kann“, sagt Peters, schließlich versteht er die „Morgenpost“ als Familienzeitung.

Mit den Neuerungen will Jan-Eric Peters eine „entscheidende Fehleinschätzung“ der Vergangenheit wiedergutmachen: „Die ,Morgenpost’ ist seit mehr als 100 Jahren die Stimme Berlins, doch auf diese Tradition hat man sich in der allgemeinen Hauptstadt-Euphorie nicht konsequent besonnen, sondern wie die Konkurrenz plötzlich das Überregionale betont“.

Die neue „Berliner Morgenpost“ dürfte den umkämpften Zeitungsmarkt verändern. Und vielleicht ist das erst der Anfang.

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