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Medien: Mein Gott, Walter!

„Fettes Brot“, Campino, „Selig“ erzählen die Geschichte eines Lieds

Es lief nicht gut für „Die Toten Hosen“. Da war Walter. Der Gittarist. Walter konnte eigentlich nichts, auch nicht Gitarre spielen. Aber er sah gut aus, das war nicht ganz unwichtig, auch nicht bei Punks. Campino stellte also Walters Verstärker ab und stellte den Gitarristen auf der Bühne weit nach hinten, „wo er keinen Schaden anrichten konnte“, erinnert sich Campino, Sänger der Gruppe. Nur: Das half nicht. Walter war schuld, dass „Die Toten Hosen“ fast jedes ihrer Konzerte nach einer knappen Viertelstunde abbrechen mussten. Er war wieder in ein Schlagzeug gesprungen oder hatte die Verstärker umgerissen. Die Band stand Mitte der 80er Jahre vor dem Bankrott, als der Regisseur Bernd Schadewald Campino anrief. Er bittet ihn, die Musik für das Theaterstück „Uhrwerk Orange“ zu liefern. Campino schreibt mehrere Stücke, auch das Lied „Hier kommt Alex“. Campino hält es für schwach.

In knapp 15 Minuten erzählen er und seine Freunde die Geschichte jenes Liedes, das den Erfolg der Gruppe „Die Toten Hosen“ begründet. „Popsplits – ein Song und seine Geschichte“ heißt das Format, das morgen startet. Acht Geschichten von bekannten Liedern werden bis zum Jahresende im RBB-Fernsehen erzählt.

Die Geschichte von der Gruppe „Fehlfarben“ und ihrem Lied „Ein Jahr“: Der Sänger Peter Hein hasst es, aber die Plattenfirma will es haben. Es macht die Band berühmt. Oder warum das Lied „Schwule Mädchen“ von „Fettes Brot“ so heißt. Oder „Ohne dich“, das Jan Plewka, der Sänger der Hamburger Gruppe „Selig“, geschrieben hat. Plewka hatte schon früh eine erstaunliche Begabung für pathetischen Liebesschmerz. Klein und mit dicker Hornbrille gestraft, verliebt er sich in der fünften Klasse in das Mädchen Katharina Wolter. Unglücklich natürlich. Die Zeit des Leidens setzt in ihm den Willen frei, Musik zu machen. Jahre später schreibt er das Liebeslied „Ohne dich“.

Neu ist die Idee „Ein Song und seine Geschichte“ nicht. Seit fünf Jahren läuft die Sendung auf Radio Eins. In einer Minute erzählt der Sprecher Michael Pan, wie ein Song entstanden ist. Jetzt also das TV-Format. Ohne einen Sprecher, erzählt von denjenigen, die dabei waren. Nur: Wenn 15 Minuten lang erzählt wird, was kann man da eigentlich zeigen? Nicht viel. Ein paar Bilder und Filmchen aus dem Archiv, Ausschnitte aus Videoclips, das war’s. Das macht nichts, denn Anekdoten, gut erzählt, fesseln den Hörer. Oder Zuschauer. Auch mit statischen Bildern. Und es sind gute Geschichten, die erzählt werden. Wenn die frühere Jugendliebe von Sänger Jan Plewka seinen Liebesbrief vorliest, den er ihr als Fünftklässler geschickt hat, und die Kamera die unbedarfte Kinderschrift festhält, wirken die Bilder, wie es das Radio nicht kann. Auch wenn es um das Erzählte geht.

Aber so ganz scheinen die Macher der Kraft der statischen Bilder nicht zu trauen. Sie wollen es anders machen. Schritt Nummer eins: schnelle Wechsel von einem Erzähler einer Geschichte zum nächsten. Die Schnitte sollen das Erzählte flott machen, wirken aber mitunter hektisch. Schritt Nummer zwei: Inszenierung bei Jim Rakete, der für die visuelle Umsetzung von „Popsplits“ zuständig war. Gedreht wurde im Atelier des Fotografen. Die Musiker erzählen vor unverputzten Wänden und um sie herum fährt eine Kamera im Schienenkreis. Sie liefert Bilder in Bewegung, aber auch immer die gleichen Schwenks. Deren Wirkung nutzt schnell ab, weil sie immer gleich funktionieren. Campinos Gesicht frontal. Dann leicht nach links, in einer kreisförmigen Bewegung schwenkend, dann im Profil. Schnitt. Irgendein anderes Gesicht frontal, dann wieder der gleiche Schwenk.

Obwohl bei „Popsplits“ wenig passiert, ist es ästhetisch interessant. Dank Jim Rakete und seiner Auffassung von Beleuchtung. „Licht ist ja beim Film ein bisschen heilig. Und ich glaube halt an eine andere Art von Licht als viele Kollegen vom Fernsehen“, sagt Jim Rakete.

„Popsplits – Ein Song und seine Geschichte“, Sonntag, RBB, 22 Uhr 45

Alice Bota

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