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Medien: Milchmädchen-Rechnung

VORSICHT! WERBUNG Die Männer auf den Anzeigen tragen zwar keine braunen oder schwarzen Uniformen.

VORSICHT! WERBUNG

Die Männer auf den Anzeigen tragen zwar keine braunen oder schwarzen Uniformen. Doch Blick und Haltung erinnern irgendwie an den Film „Triumph des Willens“ von Riefenstahl. Nur geht es in diesem Fall um die deutsche Milch: Tetra Pak hat vermeintliche Supermarkt-Besitzer zu Milchschützern erhoben. So stehen sie denn vor einem leicht angewölkten Himmel und blicken wie von einer höheren Macht Gesandte strengen Auges in die Unendlichkeit. Damit die Sache auch schön rund ist, wurden zwei Lichtbahnen einmontiert, die von unten nach oben strahlen.

Sonne kann das nicht sein. Also doch Reichsparteitag? In der Rechten tragen die Männer jeweils einen Tetra-Pak- Karton als Waffe gegen das böse Licht, das angeblich schon nach wenigen Stunden das Vitamin B2 kaputtmacht. „Ich bin Milchschützer“, erklären sie und berichten von grässlichen Zeiten, als sie in ihren Supermärkten das Licht ausschalten mussten, um Vitamine zu schützen. In den entsprechenden Fernsehspots wird dieser Unsinn so überzogen erzählt, dass der Zuschauer sogar darüber schmunzeln kann.

Schlimmer wird es auf der entsprechenden Website. Da sind Tetra-Pak-Kartons nicht nur Vitamin- Bewahrer. Sie werden auch ökologisch wertvoll wie sonst nur die Glasflasche.

Das klingt dann so: „Im besonderen Maße liegt uns die Umwelt am Herzen und auch da erfüllen wir unsere eigenen Ansprüche.“ Wie tief oder hoch die angesetzt sind, erfährt man leider nicht. Es sind halt die eigenen. Dazu wird eine Studie aus dem April 1999 angeführt, wonach Mehrwegflaschen und Kartons ökologisch gleichwertig sind. Die Pappe ist angeblich wie die Flasche zu 100 Prozent recycelbar. Klingt gut. Funktioniert aber nicht. In einer späteren Meldung muss Tetra Pak zugeben, dass erst 65 Prozent der Kartons tatsächlich wiederverwertet werden.

Um Missverständnissen vorzubeugen: Ich habe nichts gegen Tetra Pak, kaufe meine Milch sogar lieber viereckig als in der Flasche – was pure Bequemlichkeit ist. Ich habe aber etwas gegen Anzeigen und Informationen, die mich auf den Arm nehmen wollen. Wichtig in der Milch sind nämlich die fettlöslichen Vitamine A, D, E. Das von den Milchschützern angeführte Vitamin B2 ist wasserlöslich und in so geringen Mengen vorhanden, dass sie sich gerade mal für einen schlechten Werbegag eignen.

Reinhard Siemes

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