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Miles & More für Stubenhocker: Kleine Geschenke erhalten die Quote

Gutscheine und Backstage-Karten: TV-Sender planen ein Belohnungsprogramm für fleißige Zuschauer – nicht ganz uneigennützig.

Von Katrin Schulze

Achtung, gleich fragt die Kassiererin wieder. „Sammeln Sie die Herzen?“ Mittlerweile ist es ja zum Wettkampf geworden, jedem Sticker hinterherzulaufen, um irgendwann das Topfset, einen Koffer oder sonst etwas zu ergattern. Herzen, Punkte, Marken, Meilen – für Prämien und Rabatte wird fast alles gesammelt. Und das demnächst auch über das Fernsehen. Sammeln für die Quote könnte man das Konzept nennen, wahlweise auch Vielfliegerprogramm für Stubenhocker. Besonders eifrigen Kunden wird dann nicht mit Töpfen oder Koffern gedankt, sondern mit Gutscheinen, Eintritts- oder Backstagekarten für Shows. Willkommen im Belohnungsfernsehen.

Es mag sich ein wenig sonderbar anhören, doch die Sender müssen sich etwas einfallen lassen, wenn das Angebot immer größer und die Alternativen zum Fernsehen immer attraktiver werden. In den USA wird das Bonusprogramm für Vielseher bereits eine ganze Weile praktiziert. Hierzulande will es die Sendergruppe ProSiebenSat.1 voraussichtlich als erste auf den deutschen Markt bringen. Im zweiten Halbjahr 2012 plant sie, ein so genanntes TV-Loyalty-Programm einzuführen, verkündete Stephen Strubel von ProSiebenSat.1 digital Ende Mai auf einem Symposium. Konkreter will man mit dem Hinweis auf die Wettbewerber nicht werden.

Aber klar ist schon jetzt: Der Kampf um die Zuschauer hat längst eine neue Ebene erreicht – die virtuelle. Denn ob ein Zuschauer wirklich treu ist und sich beispielsweise alle Folgen einer Serie ansieht, soll anhand seiner Chats, Facebook- oder Twitter-Nachrichten gemessen werden. Social TV nennt sie sich, die Verschmelzung von Internet und Fernsehen. Möglich macht es der „Second Screen“, also parallel zum Fernsehen genutzte Geräte wie Smartphones, Tablet-PCs und Laptops. Nach einer Studie des Branchenverbands Bitkom surft immerhin bereits knapp die Hälfte der Zuschauer beim Fernsehen im Internet.

In der linken Hand liegt die Fernbedienung, in der rechten das Smartphone. Das darin verborgene Potenzial haben die Sender entdeckt. Sie bieten online zusätzliche Hintergrundberichte an, stellen Chatmöglichkeiten zur Verfügung oder liefern gleich eine App mit All-Inclusive-Paket. Die Sache mit dem Belohnungsfernsehen ist nun der nächste Schritt, und die Frage darf erlaubt sein, wo das alles hinführen wird. Liefert die ARD ihrem fleißigsten Zuschauer vielleicht eines Tages Chips und Bier ans Sofa? Oder verschenkt RTL an Lisa und Michael von nebenan Komparsenrollen bei „Gute Zeiten, Schlechte Zeiten“, weil sie bislang jede der 5006 Folgen geschaut haben?

Deutschland sucht den Super-Seher.

Nun, ganz so weit denken die Macher zumindest bislang noch nicht. Überhaupt sind sie uneinig darüber, ob kleine Geschenke wirklich die Aufmerksamkeit erhöhen und zum Erfolg führen. Während ProSieben und Sat.1 schon konkret mit dem Belohnungsprinzip planen, ist dies bei den Öffentlich-Rechtlichen erst einmal nicht vorgesehen. Zwar gibt es bei ARD und ZDF bereits interaktive Krimis, und natürlich werden auch Apps angeboten, aber viel weiter geht das virtuelle Engagement noch nicht. Bei RTL ist das anders. Der Kölner Sender prüft derzeit, wie sensibel Zuschauer auf Präsente reagieren. Man beobachte den Markt sehr genau, sagt Michael Heise. Der Leiter für Online und Teletext bei RTL kann sich jedoch vorstellen, dass es gar nicht unbedingt handfeste Mitbringsel sein müssen, die Zuschauer an ein Programm binden. Oftmals reicht es schon aus, überhaupt zusätzliche Inhalte und Plattformen bereitzustellen, damit sich alle über ihre Lieblingssendung austauschen können.

Doch damit das nicht falsch verstanden wird: Natürlich bieten die Sender zusätzliche Onlineangebote und nette Geschenke nicht aus reinem Gutmenschentum an. Es ist ihre Chance, insbesondere junges Publikum, das zuletzt in der Menge weniger fernsah als noch vor ein paar Jahren, vermehrt für ihre Inhalte zu gewinnen. Außerdem erreicht man die Zuschauer perspektivisch mit personalisierter Werbung sicherlich effektiver als über den klassischen Fernsehspot.

Ein umfassendes Mittel für alle Fernsehwehwehchen ist das Social TV allerdings nicht. Wer einen spannenden Film sieht, möchte nebenbei bestimmt nicht über das Aussehen der Protagonisten debattieren. Bei Castingshows wie „The Voice of Germany“ oder „Germany’s next Topmodel“ hat ProSieben dagegen gute Erfahrungen gesammelt mit den interaktiven Zusatzangeboten. Ähnlich ergeht es RTL mit „GZSZ“ oder „DSDS“. Glaubt man RTL-Mann Heise, sind es Castingsendungen und Soaps, die „bezüglich Social TV am besten laufen“. Diese Formate können Identifikation hervorrufen und einen großen Diskussionsbedarf wecken, der am besten noch während der aktuellen Folge gestillt wird.

Viel fehlt demnach also nicht, und es wird nicht mehr nur Deutschlands Superstar, sondern auch der Superseher gekürt und mit Geschenken belohnt. Wundern sollte sich jedenfalls keiner, wenn bald jemand fragt: Sammeln Sie die Backstagekarten? Oder schauen Sie doch lieber ganz gemütlich, ganz konservativ, einen guten Film?

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