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Alles falsch. Claus Kleber (l.), Platz 28, gratulierte in der ZDF-Show am 2. Juli Franz Beckenbauer zu Rang 9. Tatsächlich war Kleber auf Platz 39 und Beckenbauer auf Rang 31 gewählt worden – das aber passte der ZDF-Redaktion nicht ins Konzept. Foto: dpa

© dpa

Medien: Mit dem Zweiten trickst man besser

„Deutschlands Beste!“: Das ZDF gibt massive Manipulation bei der Platzierung der Prominenten zu.

Claus Kleber gilt eigentlich als besonnener Mann, doch am Freitag geriet der Moderator des „heute-journals“ in Rage über die Vorgänge beim ZDF: „Idioten!“, twitterte er und teilte weiter mit: „Hier fliegen gerade die Fetzen“ – wer so über den eigenen Arbeitgeber schreibt, der muss tatsächlich allen Grund zur Empörung haben. Und den hatte Kleber.

Der öffentlich-rechtliche Sender musste am Freitag massive Manipulationen bei seiner Ranking-Show „Deutschlands Beste!“ eingestehen, die am 2. Juli als „Deutschlands beste Männer“ und am 3. Juli als „Deutschlands beste Frauen“ ausgestrahlt worden war. Die zuständige Redaktion veränderte dafür die Rangliste, die auf einer repräsentativen Forsa-Umfrage beruhte, so, dass die „angefragten Gäste der Show einen attraktiveren Rangplatz“ bekamen, teilte das ZDF mit.

Ganz bewusst hat die Redaktion des öffentlich-rechtlichen Senders damit ihre Zuschauer betrogen – ein Skandal, der auf dem Mainzer Lerchenberg noch weitreichende Konsequenzen haben dürfte.

Betroffen von den Manipulationen ist sowohl die Männer- als auch die Frauen–Ausgabe. So wurde Kleber für Platz 28 gefeiert, obwohl er in der Umfrage auf Rang 39 gelandet war. Dieser Platz wurde RTL-Anchor Peter Kloeppel in der Sendung zugewiesen, der in der Forsa-Umfrage auf Platz 27 gewählt wurde – ZDF schlägt RTL, anders kann, anders darf es offensichtlich nicht sein aus Sicht der zuständigen Redaktion.

Die Manipulationen seien ohne Wissen der eingeladenen Gäste geschehen, versicherte das ZDF. „Sorry, Peter!“, entschuldigte sich Kleber in seinem Wut-Tweet am Freitag. Doch er war nicht der einzige Betroffene bei „Deutschlands beste Männer“: Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) stieg mithilfe der Redaktion von Platz 10 auf Platz 6 auf. Fußball-Kaiser Franz Beckenbauer kletterte von Platz 31 auf Platz 9. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) fiel von Platz 6 auf Platz 11 ab. Entertainer Michael „Bully“ Herbig wurde von Platz 42 auf Platz 36 „hochgehoben“.

Bei der Rangliste „Deutschlands beste Frauen“ wurde Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) nachträglich von Platz 5 auf Platz 4 „verbessert“. Schlagerstar Helene Fischer stieg von Platz 10 auf Platz 5 auf. Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) fiel von Platz 4 auf Platz 6.

Unionspolitiker bekommen ein „Downgrade“, SPD-Vertreter ein „Upgrade“. Ob das auch politisch zu Irritationen führen wird?

Klar ist die Absicht: Das ZDF wollte für Moderator Johannes B. Kerner eine prominente Couch-Besetzung zusammenstellen, die nur durch gezielte „Nachhilfe“ beim Ranking zu erreichen war. Für den öffentlich-rechtlichen Sender ist eine solche „Offenbarung“, immerhin durch eine eigene Untersuchung erkannt, ein GAU wie für den Automobilverband ADAC der Skandal um den Autopreis „Gelber Engel“. Gut, beim ADAC ging es auch um Verkaufszahlen, beim ZDF „nur“ um Quoten – aber die beschädigte Währung ist die gleiche: Glaubwürdigkeit.

Dabei heißt es unmissverständlich in den „Richtlinien für die Sendungen und Telemedienangebote“ des ZDF: „Die Berichterstattung muss von vorbehaltlosem Willen zur Wahrhaftigkeit und Sachlichkeit bestimmt sein. Zweifel an der Zuverlässigkeit einer Nachricht sind zum Ausdruck zu bringen.“

Auch für Moderator Johannes B. Kerner ist der Skandal mehr als unangenehm. Mit beiden Sendungen hatte er an den fußballfreien Abenden jeweils die Spitzenquote erzielt. 4,22 Millionen Zuschauer (Marktanteil: 17,3 Prozent) schalteten ein, als „Deutschlands beste Frauen“ gesucht wurden, am Vortag verfolgten 4,15 Millionen Zuschauer (15,4 Prozent) die Männer-Ausgabe. Kerner habe von den Manipulationen „nichts gewusst“, versichert ZDF-Sprecher Alexander Stock am Samstag. Der Moderator selbst wollte den Vorgang nicht kommentieren. Ärgerlich ist die Trickserei in seiner Sendung aber auch deshalb für ihn, weil das ZDF weitere Shows mit ihm plant, auch im Hinblick auf die Zeit nach „Wetten, dass..?“. Er dürfte darauf setzen, dass der Skandal nicht mit ihm in Verbindung gebracht, sondern vom ZDF schnell und vollständig aufgeklärt wird.

Noch am Freitag nahm das ZDF die Kotau-Haltung ein. Programmdirektor Norbert Himmler sagte, „die Veränderungen am Ergebnis der Forsa-Umfragen sind ein grober Verstoß gegen die Programmrichtlinien des ZDF“. Das sei nicht zu rechtfertigen und schade der Glaubwürdigkeit des ZDF. Es würden „arbeitsrechtliche Konsequenzen“ geprüft. Ob diese Schritte auch Unterhaltungschef Oliver Fuchs treffen, war zunächst unklar.

„Ich entschuldige mich bei allen Zuschauerinnen und Zuschauern, bei allen, die an den Abstimmungen teilgenommen haben, wie auch bei den betroffenen Prominenten“, sagte Himmler. Dem Fernsehrat will die Senderspitze spezifische Regeln für Votingshows vorlegen. Ein zentraler Bestandteil werde die Transparenz der Ergebnisse und der Befragungsmethode sein.

„Deutschlands Beste!“ ist allerdings nicht die einzige Ranking-Show, die das ZDF bisher ausgestrahlt hat. Wurde womöglich auch bei früheren Sendungen getrickst? „Dafür gibt es derzeit keine Anhaltspunkte, wie wir sie in diesem konkreten Fall von ,Deutschlands Beste!’ haben“, sagte Sendersprecher Stock.

Die Manipulation lief demnach wie folgt ab: Für „Deutschlands Beste!“ waren drei Umfragen durchgeführt worden. Eine repräsentative Forsa-Befragung, ein Online-Voting sowie ein „Hörzu“-Leseraufruf. Die Forsa-Studie gliederte sich in zwei Tranchen, im ersten Schritt wurden 1016 repräsentativ ausgewählte Personen gefragt, welche noch lebenden deutschen Frauen und Männer für sie die „besten bzw. bedeutendsten“ sind. Hieraus wurde eine erste Liste von je hundert Männern und Frauen erstellt, aus denen im zweiten Schritt in einer weiteren Forsa-Befragung mit 2000 Teilnehmern sowie einem Online-Voting und der „Hörzu“-Abstimmung die jeweils 50 „Besten“ nominiert werden sollten.

Bei der Auswertung stellte sich laut ZDF heraus, dass es methodische Probleme gab, die unterschiedlichen Ergebnisse zusammenzuführen. Daher habe sich die Redaktion zunächst dafür entschieden, sich allein auf die repräsentativen Forsa-Umfragen zu stützen. Dann aber, in Vorbereitung der Unterhaltungsshow, wurden die Ergebnisse kräftig redigiert. Anders: Was der Redaktion nicht passte, wurde passend gemacht.

Auch Klebers Zorn darüber dürfte so schnell nicht verfliegen. Er setze am Freitag noch einen Tweet drauf: „Täter: I hate you“.

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