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Abräumer. Udo Reiter, MDR-Intendant bis zum 26. September. Foto: MDR

© MDR/Martin Jehnichen

Mitteldeutscher Rundfunk: Die ganz coole Nummer

Affären abräumen und neuen Intendanten wählen: Beim MDR wollen sie alles gleichzeitig.

Beim Mitteldeutschen Rundfunk (MDR) spielen sie jetzt die coole Nummer durch. Der noch amtierende Gründungsintendant Udo Reiter räumt die aktuellen Skandale um den Millionenbetrug beim Kinderkanal und den suspendierten Unterhaltungschef Udo Foht aus dem Weg, damit der Verwaltungsrat am 26. September Reiters Nachfolger für den Chefposten in Leipzig wählen kann.

Die agierenden Kräfte der Dreiländeranstalt für Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen geben sich derart gelassen und geschäftsmäßig, als ob sich der MDR eben nicht zur führenden „Skandalnudel“ in Rundfunk-Deutschland entwickelt hätte. Der Zeitplan ist ehrgeizig, manche sagen, er ist blauäugig.

Bereits am kommenden Montag wird es konkret. Dann tagt der MDR-Verwaltungsrat, der laut Staatsvertrag den Nachfolger von Senderchef Udo Reiter vorschlägt. Mit der Sitzung am 22. August setzt das siebenköpfige Gremium das zweistufige Wahlverfahren in Gang. „Am Montag kommen alle Vorschläge auf den Tisch“, sagt der Vorsitzende des Gremiums, Gerd Schuchardt. „Wir entscheiden, welche zwei oder drei Persönlichkeiten wir zur Vorstellung ihrer Konzepte einladen.“ Diese Anhörung ist zwei Wochen später geplant – und noch am Abend des 5. September will sich das Gremium auf einen einzigen bindenden Vorschlag festlegen. Am 26. September steht die Wahl im Rundfunkrat auf der Tagesordnung. Der Kandidat oder die Kandidatin des Verwaltungsrates muss zwei Drittel der 43 Stimmen im Rundfunkrat auf sich vereinen. „Das ist nicht garantiert“, gesteht Schuchardt zu. „Der Rundfunkrat ist groß, da sind drei Länder vertreten und es kann unterschiedliche politische Interessen geben. Aber es wäre keine Katastrophe oder Krise, wenn der Vorschlag nicht beim ersten Mal durchginge, denn das weitere Verfahren ist dann genau festgelegt.“ Dann müsste der nächste Personalvorschlag präsentiert werden. Der Rundfunkratsvorsitzende Johannes Jenichen sieht das pragmatisch und sagt: „Die Demokratie müssen wir schon hochhalten.“ Danach, so geht die Hoffnung, soll die Dreiländeranstalt mit einer neuen Führung wieder die eigentliche Aufgabe bewältigen – Programm machen. Das MDR-Fernsehen vertrüge allerdings eine Reform weg von Schunkelseligkeit und Ostalgie.

Eine Intendantenwahl in einer Dreiländeranstalt, in der sich die Sachsen gerne als Leitfiguren für Sachsen-Anhaltiner und Thüringer aufspielen, ist schon fragil, noch fragiler wird sie, weil die Affärenaufarbeitung parallel läuft. So soll Udo Reiter in einer Sondersitzung des Rundfunkrats am 31. August für absolute Klarheit in der Personalie Foht sorgen. Der Suspendierte soll Geschäftspapier mit offiziellem Briefkopf für private Zwecke missbraucht und sich Geld geliehen haben; ob er sich persönlich bereichert hat, wird geprüft. Unklar ist zudem, wer noch im Sender davon wusste.

Der Ruf von Udo Reiter ist schon lädiert, ist es auch der von Karola Wille, stellvertretende Intendantin und Justiziarin des MDR? Die Chemnitzerin kennt jede Ecke im Sender, aber von den Machenschaften im Kika und in der Unterhaltung hat sie rein gar nichts mitbekommen? Jetzt wird ihr plötzlich ihre Dissertation aus DDR-Zeiten vorgehalten, in der sie dem SED-Sozialismus huldigt.

Die Wahlmänner und Wahlfrauen im MDR stehen vor einer Richtungsentscheidung. Soll es ein Kandidat von innen sein, da werden Hörfunkdirektor Johann Michael Möller oder der Erfurter Funkhauschef Werner Dieste genannt, oder einer von außen? Dann wäre Bernd Hilder, Chefredakteur der „Leipziger Volkszeitung“ und früherer ARD-Hörfunkkorrespondent, unter den Favoriten. Wäre, hätte, könnte. Die größte Aufgabe steht dem Sender selbst bevor. Im Licht seiner maladen Strukturen muss er sich quasi neu gründen. Joachim Huber (mit dpa)

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