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Medien: Mitwisser gesucht

Mehr Transparenz, mehr Experten: Konkurrenz für Google und Wikipedia

Heute schon nach „Dussmann“ gegoogelt? Nach „Heiligendamm“? Nach „Irak“? So etwas reiche potenziell für eine Hausdurchsuchung, schreibt das Online-Magazin „Telepolis“. Bisher müsse noch eine „Internetüberwachung“ angeordnet werden, damit Behörden wissen, wer was googelt. Nach der Umsetzung der geplanten Vorratsdatenspeicherung droht die Begründung für eine Hausdurchsuchung bei jedem Bürger mit Internetanschluss zur reinen Formalie zu werden. Hausdurchsuchungen bei Kritikern des G-8-Gipfels wurden unter anderem mit Suchbegriffen bei der Internetrecherche begründet, so „Telepolis“ weiter. Nicht nur diese Geschichte zeigt, welche Macht, welche Auswirkungen das Internet hat, welchen Manipulations- und Verdachtsmöglichkeiten Wissenssuche und Suchmaschinen ausgesetzt sind.

Umso wichtiger immer wieder die Frage auf dem Weg in die „Google-Gesellschaft“, wer und vor allem was hinter der Suchmaschine steckt. Oder auch hinter Wikipedia, dem freien Online-Lexikon, dem alle trauen, jedenfalls 96 Prozent der befragten Nachrichtenredaktionen in einer aktuellen Umfrage. 76 Prozent der Redaktionsleiter halten Wikipedia für „meistens zuverlässig“. Das sieht Larry Sanger, Mitbegründer der Internet-Enzyklopädie, anders. Sanger hat sich seit längerem von Wikipedia abgewandt. Zu unseriös, zu ungenau, zu viele inkompetente Autoren, lauten seine Vorwürfe. Daher hat Sanger Citizendium gegründet, eine Art besseres Wikipedia. Das Prinzip ist ähnlich: Wer etwas zu einem Thema weiß, schreibt es ins Internet. Als Gegenentwurf zur frei organisierten Wikipedia, in die jeder hineinschreiben kann, angelegt, sollen die Citizendium-Autoren von Experten „sanft geführt“ werden, so Sangers Vorstellung.

In jüngster Zeit hatten bei Wikipedia immer wieder Falscheinträge für Verwirrung gesorgt. Über den US-Journalisten John Seigenthaler war 2005 in der englischsprachigen Ausgabe von Wikipedia zu lesen, er habe im Verdacht gestanden, in die Ermordung von John F. Kennedy und Robert Kennedy verwickelt gewesen zu sein. Ein famoser Irrtum. Schuld: das Wikipedia-Prinzip. Jeder kann neue Einträge verfassen, Artikel verändern. Auch gezielt falsche Informationen lassen sich so verbreiten – anonym. Einträge können ohne Angaben von persönlichen Daten geändert werden.

Das soll laut Larry Sanger auf citizendium.org anders werden. „Unsere Artikel werden vor der Veröffentlichung geprüft und von Experten verifiziert.“ Diese müssten ihren echten Namen preisgeben. In Interviews spricht Larry Sanger schon von einer aufgeklärteren Welt, dank eines verlässlichen Internet-Nachschlagewerks, dank expertengeprüfter Inhalte für die Allgemeinheit, vor allem für Schulen und Universitäten. Eine hehre Vision, dabei stehen derzeit rund 1800 Artikel auf Citizendium.org. Zum Vergleich: Die englische Wikipedia hat über 1,7 Millionen Artikel, die deutsche Ausgabe über 500 000. Eine deutsche Citizendium-Ausgabe ist noch nicht in Sicht. „Zuvor müssen einige organisatorische Fragen geklärt werden“, sagt Sanger. Ob Citizendium wirklich eine „ernstzunehmende Rolle“ bei der Wissensvermittlung spielen kann, wird sich zeigen müssen, sagt Kurt Jansson von Wikimedia Deutschland, der Gesellschaft zur Förderung Freien Wissens. „Grundsätzlich stehen wir anderen Projekten, die sich wie wir der Sammlung und Verbreitung von Wissen widmen, sehr offen gegenüber. Schließlich rufen wir ja selbst regelmäßig dazu auf, wichtige Fakten anhand von mehreren Quellen zu verifizieren. Wenn es nur die Wikipedia gäbe, wäre dies nicht möglich.“

Und wenn es nur Google gäbe? Experten kritisieren öfters die ökonomische und politische Bedeutung der Suchmaschine Nummer eins als eine Herausforderung auch für Medienpolitik und Informationstechnologie. Jimmy Wales, der andere Wikipedia-Gründer, will Ende 2007 eine Konkurrenz, zumindest eine Ergänzung zu Google starten: Wiki Search. Die Suchmaschine solle wie Wikipedia auf einer gemeinschaftlichen Zusammenarbeit im Netz basieren. Zudem sollten Suchkriterien transparent sein. Die meisten Suchmaschinen seien „black boxes“, kritisierte Wales: Niemand wisse, nach welchen Kriterien sie Suchergebnisse ordneten. Als weiteres Merkmal der Suchmaschine nannte Wales, dass Nutzerdaten geschützt bleiben sollten. Ein neues Instrument bei der Suche im Netz – das würde wohl auch die durchsuchten Kritiker des G-8-Gipfels freuen.

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