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Medien: Mord im Milieu der Macht

Der „Tatort: Schleichendes Gift“ beleuchtet die Szene der Pharma-Lobby im politischen Berlin

Je glatter und glänzender sich das „Neue Berlin“ mit seinen aufpolierten Regierungsgebäuden, Firmen- und Verbandsvertretungen präsentiert, desto undurchsichtiger scheinen die politischen Entscheidungsstrukturen zu werden. Schätzungsweise 5000 Lobbyisten in Kanzleien, PR-Agenturen und Unternehmen tummeln sich in der Grauzone rund um den Bundestag. Um dieses Milieu der Macht dreht sich der heutige „Tatort: Schleichendes Gift“ vom RBB.

Auf der Grundlage des offenbar sehr lebensnah recherchierten Drehbuchs von Thomas Kirchner wirft Regisseur Uwe Janson erhellende bis erschreckende Schlaglichter in die Kreise der Politik. Gerade als sich die Berliner „Tatort“-Kommissare Till Ritter (Dominic Raacke) und Felix Stark (Boris Aljinovic) eher widerwillig an ihrem neuen High-Tech-Arbeitsplatz akklimatisieren, platzt die Nachricht vom Fund einer Leiche im Bundesgesundheitsministerium herein. „Der ist wohl die letzte Reform nicht bekommen“, grummelt der ewige Asphalt-Cowboy Ritter.

Joseph Feinlein, Referatsleiter im Gesundheitsministerium, überlebte die abendliche Teestunde im Büro nicht. Laut Obduktionsbericht war das Nikotin von bis zu fünf Zigaretten im ohnehin schon anregenden Heißgetränk aufgelöst. Der per Computer geschriebene Abschiedsbrief überzeugt die tiefgläubige, schwerkranke Witwe Rebekka (Corinna Kirchhoff) nicht eine Sekunde lang – niemals hätte ihr Mann sie alleine gelassen und dann auch noch Jesus Christus’ letzte Worte „Es ist vollbracht!“ als Grußformel verwendet. Ihre allzu dominante Schwester Maria offenbart der Polizei erste Widersprüche im Leben des pflichtbewussten Spitzenbeamten, dessen kollegiales Umfeld nur in höchsten Tönen von ihm spricht. Referatsleiter Feinlein, sein auf Karriere bedachter Stellvertreter und seine persönliche Referentin Julia Jansen (Anja Kling) waren gerade mit einigen heiklen Gesetzesvorhaben beschäftigt, darunter die sogenannte Positivliste. Sie verzeichnet jene Medikamente, die von den gesetzlichen Kassen bezahlt werden. Im Namen der „Therapiefreiheit“ versuchen die Pharma-Lobbyisten und deren dienstbare Juristen, die „Beerdigung der Todesliste“ in die Wege zu leiten – bevorzugt durch Einladungen in ein Prominentenlokal mit dem apart realitätsnahen Namen „Borgwardt“.

Der scheinbare Selbstmörder sei ein abtrünniger Lobbyist gewesen, der abrechnen wollte, erfahren die Kommissare von dem Journalisten Hendrik Koch (Jürgen Tarrach). Ihm wollte Feinlein eine Aufzählung aller industriehörigen Entscheidungsträger zukommen lassen, aber der Fahrradkurier, der beim Verlassen des Ministeriums von der Überwachungskamera aufgenommen wurde, verunglückte unter mysteriösen Umständen. Von seiner brisanten Fracht fehlt jede Spur.

Fast drohen die Kommissare zwischen lauter geheimnisvollen Frauen den Faden zu verlieren, doch die schlingenreiche Flora des hauptstädtischen Sumpfes zieht sie immer wieder auf den Boden der Tatsachen zurück.

„Tatort: Schleichendes Gift“,

ARD, 20 Uhr 15

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