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Medien: Multikulti im Container

Die Afrika-Version von „Big Brother“ vereint die Zuschauer auf dem Kontinent

Von Wolfgang Drechsler,

Johannesburg

Ein sprudelnder Whirlpool, zwölf Hausbewohner, das tägliche Duschen, gemeinsam oder allein, und viel dummes Geschwätz – die jüngste Staffel von „Big Brother Africa“ enthält all die vertrauten Elemente, aber auch eine Besonderheit. Anders als bei den ersten beiden Staffeln, die nur von Südafrikanern bestritten und beide von Weißen gewonnen wurden, kommt diesmal jeder Kandidat aus einem anderen afrikanischen Land. Der 21-jährige Alex stammt zum Beispiel aus Kenia und gilt unter den Mitbewohnern als Macho, obwohl er seinen Teddy mitgebracht und eine Phobie vor Heuschrecken hat. Die 26-jährige Tapuwa aus Simbabwe hat bereits öffentlich gestrippt, und der 31-jährige Ugander Gaetano Kagwa, der Älteste im Haus, ist jetzt zur Freude der Produzenten mit der Südafrikanerin Abby Plaatjies ins Bett gestiegen.

Kein Zweifel: Die bunte Mischung von „Big Brother Africa“ ist auf dem Schwarzen Kontinent ein Hit. Obwohl sich die Kandidaten der Reality-Show nach nunmehr fast zwei Monaten immer öfter in den Haaren liegen, haben ihre Eskapaden in Afrika ein bislang beispielloses Gefühl der Zusammengehörigkeit erzeugt. Allabendlich schalten Millionen von Zuschauern ein und haben die Afrika-Version von „Big Brother“ damit zu einem der erfolgreichsten Programme auf dem Kontinent gemacht. Was Pan-Afrikanismus und Befreiungsphilosophie nicht schafften, ist dem Satellitenfernsehen im Handstreich gelungen. „Shows wie ,Big Brother’ mögen oberflächlich sein, aber sie bringen die Menschen weit stärker zusammen als die Politiker mit ihren Sonntagsreden“, konstatiert David Mafabi vom in Uganda ansässigen Pan-African Movement neidlos.

Viele Schwarze verfolgen das Programm in Clubs und Kneipen, weil nur vier Prozent der 700 Millionen Afrikaner einen eigenen Fernsehapparat besitzen. Dennoch haben rund 1,2 Millionen Haushalte in 40 Staaten des Kontinents das südafrikanische Satellitenfernsehen DSTV abonniert, das „Big Brother“ als Teil seines Sortiments von fast 100 Kanälen offeriert.

„Zum ersten Mal liefern wir unseren Kunden afrikanische Bilder, afrikanische Menschen und afrikanische Helden“, schwärmt Carl Fischer, der „Big Brother“ für den Abo-Kanal M-Net produziert. Auch wirtschaftlich ist afrikanisches Reality-TV ein Erfolg.

Noch heute sind die „BB“-Produzenten überrascht, auf welche Resonanz selbst die rein südafrikanischen Staffeln in ganz Afrika gestoßen sind. Der siegreiche Bure Ferdinand hat noch immer Fanclubs von Lagos bis Nairobi. Kein Wunder, dass sich Multichoice-Net im dritten Anlauf zur kontinentalen Expansion entschloss.

Angesichts der großen Unterschiede in den Bevölkerungszahlen der Länder und der vielen Abonnenten am Kap wurde jedoch die Abstimmungspraxis verändert. Hatte zuvor jeder Zuschauer bei „BB“ eine eigene Stimme, hat nun jeder der zwölf Teilnehmerstaaten eine Stimme. Der Kandidat, der in den einzelnen Ländern am häufigsten nominiert wird, muss das Haus, wie zuletzt das angolanische Fotomodell Bruna, verlassen. Die Zuschauer in den Ländern ohne eigenen Teilnehmer erhalten eine 13. Stimme.

Gleichwohl bereitet die bunte Mischung den Produzenten der Show etwas Kopfzerbrechen. Als die Kameras das entblößte Hinterteil der Simbabwerin Tapuwa in Großaufnahme zeigten, kam es zu heftigen Beschwerden von Zuschauern aus konservativen Ländern wie Malawi. Für Ärger sorgte unter der gleichen Klientel, dass der Malawier Zein als einziger Mann das Privileg genießt, mit fünf Frauen im gleichen Zimmer zu nächtigen.

Für besonderen Aufruhr hat die Show jedoch in Namibia gesorgt, das mit Stefan Ludik den einzigen Weißen ins Rennen schickt. Auf den Leserbriefseiten des „Namibian“ wird seitdem heftig darüber gestritten, ob der 22-Jährige ein „Euro-Namibier“ oder ein Symbol für das neue Namibia ist. „Wie peinlich. Nicht einmal Südafrika wird in BB von einem Weißen vertreten“, heißt es in einem Leserbrief. Trotz der Rassendebatte im eigenen Land hat Stefan vor allem deshalb die Sympathien des Publikum und der weiblichen Teilnehmerinnen gewonnen, weil er mit seiner Gitarre stets für Ausgleich im Haus sorgt. Bei der letzten Umfrage am Wochenende lag er nur knapp hinter dem Nigerianer Bayo an zweiter Stelle der Beliebtheitsskala.

Obwohl die Produzenten unentwegt darauf verweisen, dass die Kandidaten keine Botschafter ihres Landes sind, sehen viele Zuschauer in der Sendung einen internen Wettbewerb ihrer Länder. Botswanas Präsident Festus Mogae hat sich sogar schon öffentlich als Fan seiner 25-jährigen Landsfrau Warona geoutet, die bislang vor allem durch ihr freches Mundwerk aufgefallen ist.

Trotz der hohen Einschaltquoten nörgeln die Kritiker über den fast identischen Hintergrund der Kandidaten: Alle haben eine Schulausbildung, alle kommen aus der in Afrika nicht eben großen Mittelklasse, alle lieben Hip-Hop und coole Klamotten. In einer Wellblechhütte ist kein Einziger aufgewachsen. Doch die meisten Schwarzen stört das wenig. Ihnen wie der südafrikanischen Studentin Nazli Philander genügt es, dass jeder etwas vom anderen lernt. Selbst wenn dies am Ende nichts anderes ist, als dass eine Gruppe junger Afrikaner genauso selbstbezogen und unausstehlich sein kann wie die Kandidaten von Reality-Shows im Rest der Welt.

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