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Multimedia: Trüffelsuche fürs Netz

''Tomorrow'', ein Print-Überbleibsel aus Zeiten des New-Economy-Booms, wagt in Berlin einen Neustart. Ein Relaunch, der nicht "Relaunch" genannt werden darf.

Eine schaurige Vorstellung: Der Nutzer surft im Internet, und keiner sagt ihm wohin. Orientierungslos irrt er durch virtuelle Weiten und endlose Informationsödnis. Bis er das Printmagazin „Tomorrow“ aufschlägt – und von kundigen Schreibern mit den Perlen der Netzwelt und den Vorzügen neuer Elektronikgeräte vertraut gemacht wird. So ungefähr stellt Chefredakteur Jürgen Bruckmeier sich das vor. „Es gibt kein Inhaltsverzeichnis im Internet, da braucht es jemanden, der die Nutzer an die Hand nimmt.“ In der Januarausgabe von „Tomorrow“ werden vorgestellt: die besten Ärzte-Bewertungsportale, die klügsten Literaturseiten, die lehrreichsten Sprachkurse im Netz. Dazu Tipps für den fortgeschrittenen Youtube-Benutzer und Hinweise, wie man ein High-Tech-Kopfkissen mit eingebautem Lautsprecher und USB-Kabel zum Klingen bringt. Die Recherche für Online-Geschichten sei eine „Trüffelaufgabe“, versichert Bruckmeier.

Seit Anfang des Jahres sitzt Bruckmeier mit seinem zwölfköpfigen „Tomorrow“-Team im vierten Stock eines Glasneubaus in Berlin-Mitte. Die Büroparzellen sehen zwar noch etwas kahl aus, aber der Umzug aus dem alten Redaktionssitz in München ist geschafft. In Berlin will Bruckmeier, der früher Chefredakteur bei der „Bravo“ gewesen ist, gewaltig durchstarten.

Für die Märzausgabe des Monatsmagazins plant er einen schillernden Neuanfang. Ein Relaunch, der nicht „Relaunch“ genannt werden darf. Denn davon hat es in der zehnjährigen Geschichte des Blattes schon einige gegeben – mit mäßigem Erfolg.

Dabei hatte alles so wunderbar angefangen. Im Fahrwasser des New-Economy-Booms ging „Tomorrow“ 1998 im Hamburger Verlagshaus Milchstraße an den Start. Als die Internet-Start-up-Firmen, zum Beispiel in der Berliner Chausseestraße, wie Pilze aus dem Boden schossen und an den Aktienmärkten atemberaubende Werte erreichten, da wollte man sich bei „Tomorrow“ zum publizistischen Zentralorgan der neuen Digitalwelt entwickeln. Mit beinahe 350 000 verkauften Exemplaren schien das zunächst gut zu klappen. Aber als die Dotcom-Blase 2001 platzte, ging auch die Auflage von „Tomorrow“ schnell in den Keller. Bis 2005 hat das Magazin den größten Teil seiner Leserschaft verloren. Seitdem stagniert die Auflage bei rund 65 000 Heften. Begleitet wurde der Absturz von einer schnell sich ändernden Gesellschafterstruktur, von einer Umstellung der Erscheinungsweise von monatlich auf 14-täglich und wieder zurück, von Experimenten in Sachen Layout und inhaltlicher Schwerpunktsetzung.

Mittlerweile gehört „Tomorrow“ vollständig zum Burda-Verlag und residiert neben den Redaktionen der anderen Burda-Postillen „SuperIllu“ und „Guter Rat“ in Berlin. Und wenn Otto-Normal-Ossi den typischen Leser der „SuperIllu“ darstellt, dann ist die Zielgruppe bei „Tomorrow“ der Mann Mitte 30 mit hohem Einkommen und beruflicher Führungsfunktion. Laut „Tomorrow“-Geschäftsführer Heinz Scheiner wird das Blatt ab März für genau diese Zielgruppe optimiert. Maskuliner soll das Magazin künftig aussehen – breitere Schriften, klarere Bilder, kräftige Farben. Inhaltlich will man näher ran an die Menschen, die dem Web 2.0 ihren Stempel aufgeprägt haben. Geplant sind große Interviews und Porträts – zum Beispiel von Wikipedia-Gründer Jimmy Wales oder Google-Vizepräsidentin Marissa Mayer.

Im Zeitungsregal soll „Tomorrow“ nicht mehr unter oder neben Titeln wie „Chip“ und „Computerbild“ versauern, sondern zwischen Lifestyle-Magazinen à la „Neon“, „Men’s Health“ oder „Playboy“ einen exponierten Platz finden. „Wir erwarten von dem Neustart deutliche Auflageneffekte“, sagt Geschäftsführer Scheiner. Bislang versprüht das Blatt nicht unbedingt den Charme eines hochwertigen Trendmagazins. Eher gleicht „Tomorrow“ einer großen Servicebaustelle, auf der der Leser permanent mit „Sie“ angesprochen wird: „Kennen Sie? Wussten Sie? Wollten Sie auch schon immer einmal?“ So steht es beinahe in jedem Artikel. Ob der Internetnutzer wirklich von einem Printmagazin an die Hand genommen werden will, um sich durchs Netz führen zu lassen? Auf diese Frage lässt sich wohl erst mit nächsten Auflagenzahlen von „Tomorrow“ antworten.

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