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Medien: Mutter, Tochter und ein Plattfuß – „Die schönsten Jahre“ von Elke Heidenreich als ARD-Film

Mütter können verdammt anstrengend sein. Um das zu wissen, muss man keine Tochter sein.

Mütter können verdammt anstrengend sein. Um das zu wissen, muss man keine Tochter sein. Aber es hilft vermutlich. Nina, eine Zeitungsreporterin in Leipzig, freut sich nicht besonders auf die Besuche bei ihrer Mutter Eva im beschaulichen Neustadt. Selbst zum 80. Geburtstag reist sie spät und widerwillig an, wie jedes Jahr mit einem Schal als Geschenk. Sie wohnt wie immer im Hotel, und wie immer muss sie sich von Eva allerlei Ermahnungen anhören. Die Mutter ist eine strahlende Person, aber an ihrer Tochter lässt sie kaum ein gutes Haar. Es liegt viel Unausgesprochenes in der Luft, Liebe dafür weniger. Für den Schal revanchiert sich Eva regelmäßig mit einer Zitronenrolle, die ihre Tochter hasst.

Der ARD-Film „Die schönsten Jahre“ beruht auf einer gleichnamigen Erzählung von Elke Heidenreich. Manches ist fürs Fernsehen verändert worden und nicht immer zum Besten. Aber die berührende Geschichte von Mutter und Tochter, die lange nicht die Kraft gefunden haben, ihre Konflikte anzugehen, und die sich erst auf einer gemeinsamen Reise wieder nahe kommen, bildet hier wie dort den Kern. Die Besetzung mit Ulrike Kriener und Doris Schade lässt dabei keine Wünsche offen. Besonders Doris Schade ist umwerfend in der Rolle der temperamentvollen Mutter, die mit einem entwaffnenden Lächeln übergangslos zwischen Grande Dame und zickiger Alter wechselt.

Hinter den gegenseitigen Verletzungen verbirgt sich die Geschichte einer unglücklichen Ehe zwischen einem Kriegsheimkehrer und seiner Frau, die keine Liebe mehr empfand und die auch das in einem Fronturlaub gezeugte Kind nicht wollte. Auf Szenen im Rückblick verzichten Gabi Kubach (Regie) und Scarlett Klein (Drehbuch). Stattdessen setzen sie ganz auf Dialoge und das Spiel von Kriener und Schade. Das ist auf sympathische Weise altmodisch, aber die behäbige Inszenierung wirkt auf die Dauer ermüdend. Dabei wurde der Stoff fürs Fernsehen bereits ausgeschmückt, indem Ninas Beziehungen stärker in den Vordergrund rücken. Mit ihrem Nochehemann Ludwig und mit Flora, ihrer neuen Liebe, nehmen zwei Figuren einen viel größeren Raum ein als in Heidenreichs Erzählung.

Auch die Schauplätze haben sich geändert: Statt nach Mailand fahren Mutter und Tochter nun nach Budapest, angeblich weil die Reporterin dort ein Exklusivinterview mit Richard Gere führen kann. Leider tritt Gere dann doch nicht auf – allerdings nicht, weil die Reporterin zu spät gekommen wäre. Dies hätte freilich leicht passieren können, denn Mutter und Tochter fahren seltsamerweise mit dem Auto nach Budapest, aber das ist für die Dramaturgie unvermeidlich. Merkwürdig ist außerdem, dass Nina offenbar ohne Ersatzreifen unterwegs ist und wegen eines Plattfußes eine Werkstatt ansteuern muss. Frauen sind halt unpraktisch! Dass sich dies kein männlicher Drehbuchautor ausgedacht hat, macht die Sache nicht besser. Dafür gibt es einen untreuen Ehemann. In Heidenreichs Erzählung war es Nina selbst, die ihre Ehe „mit wechselnden Affären ruinierte“. Im Film bekennt sich Nina erstmals gegenüber dem Gatten offen zu ihrer Freundin Flora. Die Szene wirkt wie eine Abstrafung für Ludwig: Das hat er jetzt von seiner Untreue, nun ist sie lesbisch geworden! Man muss Elke Heidenreich in Schutz nehmen, dieser feministisch fade Abgang wurde allein fürs Fernsehen erdacht.

„Die schönsten Jahre“; ARD, 20 Uhr 15

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