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Medien: N 24: Kirch statt Bibel

Weit hat es Ulrich Ende beruflich nicht gebracht. Von n-tv bis N 24 sind es gerade mal 800 Meter.

Weit hat es Ulrich Ende beruflich nicht gebracht. Von n-tv bis N 24 sind es gerade mal 800 Meter. Man muss nur den Gendarmenmarkt in Berlin-Mitte überqueren, um von einem News-Sender in der Taubenstraße zum anderen in der Jägerstraße zu gelangen. Kirchs Nachrichten-Mann zieht mit seiner N 24-Mannschaft offiziell zwar erst im Sommer von München in die Hauptstadt, aber Ende ist schon da. Mit seiner Frau wohnt er im Berliner Westend, "behaglich, bürgerlich", wie er sagt. In der Jägerstraße, dem Sitz der Berliner Sat 1-Zentrale, koordiniert Ende seit einigen Monaten gemeinsam mit Jörg Howe das Nachrichten-Netzwerk der jungen Senderfamilie. Da ist Pendeln angesagt, zwischen Bayerns Hauptstadt und Berlin, hin und her, ein paar Monate noch.

Sechs Jahre lang arbeitete Ende als Chef vom Dienst und zweiter Chefredakteur bei n-tv und half mit, den Kanal in die schwarzen Zahlen zu senden. 1998 holte ihn dann der damalige Pro 7-Chef Georg Kofler nach München-Unterföhring. Da sollte er an N 24 basteln. Am 24. Januar 2000 ging der Kanal auf Sendung. Damals, vor dem Sendestart, war Ende von der allgemeinen Hektik in Unterföhring nichts anzumerken. Während in der 140-köpfigen Redaktion alle dem baldigen Ernstfall entgegenfieberten, erklärte er den Medien-Journalisten, wie das hier so funktionieren sollte, aß nebenher einen Apfel und lächelte großmütig, wenn sein junges Team noch Fehler machte - "Nichts kann mich aus der Ruhe bringen", wollte er damit wohl ausdrücken.

"Der war immer schon so", sagt ein ehemaliger Mitarbeiter von n-tv: "Kein Choleriker, mit dem kann man reden". "Er ist so, wie er aussieht: ruhig," sagt ein anderer. Viel mehr wollen sie bei n-tv nicht über ihn sagen - außer vielleicht noch den n-tv-Standard-Kalauer: Das Kapitel Ende sei eben zu Ende.

"Ich wirke zwar ruhig und gelassen", sagt Ulrich Ende bei einem Glas Rioja und steckt sich dabei demonstrativ eine kleine Cohiba an, "aber in mir brodelt es, ich brauche Herausforderungen." Die gibt es bei N 24 zur Genüge: die technische Reichweite steigern, Kabelbelegungen, Abstimmung mit Pro 7- und Sat 1-Nachrichten, neue Formate und und, und ... Außerdem ist N 24 ein Jahr nach Sendestart nur in jedem zweiten Haushalt in der Republik zu empfangen, doch in drei Jahren will man schon Gewinne einfahren. Zahlen zu den Werbeumsätzen bleiben auf dem selbst verordneten Erfolgsweg ein streng gehütetes Geheimnis. Und es gab auch schon einigen Ärger in der jungen N 24-Geschichte: Einen Monat nach Sendestart kratzten zweifelhafte Behauptungen des Russland-Korrespondenten Frank Höfling über Kriegsverbrechen in Tschetschenien am frischen Lack der N 24-Seriosität. Ulrich Ende antwortete seinerzeit auf einer eilig einberufenen Telefonkonferenz stoisch gelassen auf die Fragen der Presse. Und dann war da noch die Sache mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung": Auf einmal durfte sie nicht mehr mitmachen bei N 24. Groß und stolz war deren 25-prozentige Beteiligung angekündigt worden. Wieder ein Seriositäts-Malus gegenüber n-tv, das mit Holtzbrincks "Handelsblatt" als Partner auftrumpfen kann. Ulrich Ende blieb auch da ruhig und begnügt sich heute mit Bloomberg TV und "Börse Online", die für N 24 das Börsen-Geschehen beobachten.

Diese Ruhe hat er wohl bei seinem Studium der evangelischen Theologie geübt. Theologie und Journalismus - passt das? "Ich habe schon während des Studiums in Marburg fürs Feuilleton geschrieben", sagt Ende. Nach dem Studium hat er sich für ein Volontariat bei der "Oberhessischen Presse" und gegen die Uni-Laufbahn entschieden. Er sei nie der vergeistigte Student gewesen, sagt der Hobby-Angler: "Als Journalist hatte ich Erfolg, und die Arbeit machte Spaß. Mit Theologie habe ich heute nichts mehr zu tun." Keine Zeit für Kontemplation. Spaß an dem zu haben, was man tut, sei sowieso das Wichtigste. "Dann stellen sich andere Fragen nicht."

Seit über zehn Jahren macht der Mann nichts als Nachrichten, Nachrichten, Nachrichten. "Nachrichten-Journalismus ist spannend", sagt Ende so nebenbei und beginnt, mit der Cohiba in der Hand zu theologisieren: "Im Kleinen, im Aktuellen manifestiert sich der größere Zusammenhang, das Ganze." Der Fall Fischer zum Beispiel: Das Thema sei nicht aufgebauscht, findet er. "Die Bilder des prügelnden 68ers Fischer haben eine neue Diskussion über diese Generation, über diese Zeit ausgelöst. Die Akteure von damals führen dadurch heute ihren finalen Diskurs." Ein historisches Ereignis, wie Ende meint.

Ende ist kein 68er. Als Jahrgang 1952 hätte er noch studentisch bewegt sein können. War es aber nicht. Aufgewachsen in einem westfälischen 5000-Seelen-Kaff, wohlbehütet, Großfamilie, Vater Jurist. Er gehöre keiner Partei an, über Politik rede er nicht gern, sagt Ende, macht es dann aber doch. Als Journalist fordere er von der Politik nur ordentliche Arbeit ein, sagt er. Klare Konzepte fehlten jedoch. Da unterscheide sich die jetzige nicht von der letzten Regierung. Das "Herumeiern" bei den Themen Rente, Gesundheit oder BSE gefällt ihm gar nicht. Gefallen findet er bislang nur an Hans Eichel ("überzeugt durch Leistung") und Joschka Fischer, der im Kosovo-Konflikt seiner Meinung nach konsequent handelte.

An Sendungsbewusstsein mangelt es Ende übrigens nicht. Wie gern hätte er eine eigene Kolumne, in der er sich etwa über die Endlos-Debatten zur EU-Osterweiterung auslassen könnte: "Wichtig ist, wann die Autobahn Berlin-Warschau gebaut wird", sagt er. "Wenn der Handel mit den ehemaligen Ostblockstaaten funktioniert, schlagen sich die Jugendlichen in Ostdeutschland auch nicht mehr die Köpfe ein." Die Politik sei gefragt. Und da müssten Journalisten nachhaken, meint er, und konkrete Pläne von der Politik einfordern. Bei N 24 kann Ende damit ja anfangen.

Matthias Hochstätter

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