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Die letzten ihrer Art? Der am Montag gestorbene Paul Sahner (im Bild) und Michael Graeter standen beziehungsweise stehen für den Beruf des Klatschreporters. Der Bedarf an Klatsch nimmt nicht ab, das zeigt ein gutes Dutzend neuer People-Magazine an den Kiosken.

© dpa

Nach dem Tod von Paul Sahner: Sind Society-Reporter noch zeitgemäß?

Der Berufsstand des Society-Reporters hat auch nach dem Tod von Paul Sahner seine Berechtigung behalten. Das meint jedenfalls unsere Autorin Beate Wedekind, die sich in dieser Welt bestens auskennt.

Paul Sahner ist tot. Der Society-Reporter von „Bunte“ ist – wie berichtet – am vergangenen Montag an einem Herzinfarkt gestorben. 20 Jahre lang hat er deutsche und internationale Stars getroffen, gesprochen, porträtiert. Die Etablierten und die Aufsteiger (gelegentlich haben ihn auch die Absteiger interessiert). Die Leute, die das Gebilde ausmachen und antreiben, das man Gesellschaft nennt. Die Macher und die Möglichmacher aus Showbusiness, Politik, Wirtschaft, Sport, Kultur, Medien.

Paul Sahners Tod hat sie wieder belebt, die Debatte über Klatsch in Zeiten des Internets. Klatsch 2.0, diese schnellste Form der Verbreitung von mehr oder minder interessanten Nachrichten über mehr oder weniger interessante Leute. Diese Flut von Details, die rund um die Uhr im Internet verfügbar ist, auf Webseiten, in Blogs, vor allem aber in den Social Media. Immer häufiger veröffentlicht von den Prominenten oder denen, die sich als solche stilisieren. Sie geben bereitwillig preis, was Journalisten früher oft mühsam recherchieren mussten. Intimste Details werden auf Twitter in Umlauf gesetzt, Accessoires des Alltags wie Klamotten, Häuser, Autos, Jachten auf Instagram und Pinterest gepostet, auf Facebook werden Diskussionen ausgelöst.

Beate Wedekind für die "Bunte" 1983 im Gespräch mit Julio Iglesias.
Beate Wedekind für die "Bunte" 1983 im Gespräch mit Julio Iglesias.

© Privat

Eine gigantische Selbstdarstellungsmaschinerie dreht sich rund um die Uhr. Eine Motivation: Die Promis wollen selbst ihr Image kontrollieren, das Bild von sich abgeben, das ihnen am besten passt und am meisten nützt. Ich bin mein eigener Reporter. Ich klatsche über mich selbst und ich sorge dafür, dass meine Fans, die Medien, die Welt, sich mein Bild von mir macht.

Braucht man da Reporter vom Kaliber eines Paul Sahner überhaupt noch? Ja! Vielleicht dringender denn je, als journalistisches Gegengewicht zu den Klatschkrümeln, wie dem Hintern von Kim K., den Achselhaaren von Miley Cyrus, den Exzessen von Kate Moss…

Neue Journalisten haben das Genre bereichert

Aber das Genre hat sich erneuert und verjüngt – Sahner war 70, Michael Graeter, die andere Ikone des Boulevardjournalismus, ist 74 und schrieb bis zum vergangenen Jahr genial süffisant wieder bei der Münchner „Abendzeitung“, wo seine Karriere 1965 begann.

Im Laufe der Jahre haben aber parallel zur Entwicklung im Internet einige wenige Journalistinnen und Journalisten dem Klatschjournalismus eine neue Qualität gegeben, jede und jeder auf eine unverwechselbare Art. Das ist zum Beispiel Dagmar von Taube, Chefreporterin der „Welt am Sonntag“. Eine bestens vernetzte und informierte Konversationskünstlerin. Neben gutem journalistischen Handwerk und einer geschmeidigen Schreibe pflegt sie hanseatisches Understatement gepaart mit gesundem Humor und mädchenhaftem Charme.

Da ist Oliver Fritz, jung, alert und gut aussehend, Unternehmersohn und Quereinsteiger, der durch seine knackige Schreibe und seine direkte Herangehensweise (Flirtfaktor) auffiel. Er reist für „Bild“ um die Welt und postet selbst liebend gern auf seiner persönlichen Facebook-Seite.

Da ist Johanna Reichert, die Society-Kolumnistin von „In“, die sich von der „Passauer Neuen Presse“ kommend eine gewisse Bodenständigkeit in der Betrachtung der Glamourwelt nicht hat nehmen lassen.

„Bunte“ und „Gala“ sind die besten Pferdchen im Stall ihrer Verlage, Letztere mit neuem Elan entstaubt von Chefredakteurin Anne Meyer-Minnemann, die sich selbst viele Jahre als Reporterin in der internationalen Gesellschaft getummelt hat. Der ungebändigte Bedarf nach Klatsch auch und besonders bei der jungen Generation hat in den letzten Jahren ja ein gutes Dutzend neue People-Magazine an die deutschen Kioske gebracht – „In“, „Ok“, „In Touch“, „Closer“, „People“, um nur einige zu nennen. Charakteristisch für diese junge Generation der Klatschmagazine – meist importiert aus dem Vereinigten Königreich und den Vereinigten Staaten – ist die Mischung mit Konsum orientiertem Lifestylestoff: Mode, Kosmetik, Schmuck, Design und Diäten. Sich an den wahren oder vermutlichen Nachrichten von den Protagonisten aus den TV-Serien, den Talentshows, den Königshäusern zu delektieren, reicht der jungen Generation der Leserinnen nicht mehr.

Dass Klatsch gesellschaftsfähig wie nie ist, hat übrigens auch damit zu tun, dass die Boulevardisierung der Feuilletons unaufhaltsam fortschreitet. Vorreiter war Johannes Willms in der „Süddeutschen“, der den Educated Gossip – den gebildeten Klatsch – dort einführte, weil er selbst die Rituale der Gesellschaft liebte, die er als Begleiter der Industriellenwitwe Gabriele Henkel erforschte. Es folgte das Privatfernsehen mit seinen Boulevardmagazinen. Frauke Ludowig! Die Strahlefrau am Rande des Roten Teppichs. Sie ist beinahe täglich auf Sendung, allein das eine Meisterleistung.

Und natürlich nehmen sie alle, die jungen wie die etablierten Societyreporter gern mit, was die Promis ihnen in den Social Media vorsetzen. Die gesellschaftliche Einordnung aber ist ihnen vorbehalten. Und das ist auch gut so.

Paul Sahner ist viel zu früh gestorben, aber der Klatsch lebt. In einem der letzten Telefonate, das wir führten, ging es auch um die Frage, ob Günther Jauch wirklich ein Haustyrann ist, und warum man Prinzessin Caroline so selten in der Öffentlichkeit sieht. Die Antworten auf beide Fragen hätte ich gerne noch aus seiner Feder gelesen.

Beate Wedekind, 64, war Klatschreporterin von „Bunte“. Sie gründete 1988 die deutsche Ausgabe von „Elle“. Anfang der 90er Jahre wurde sie Chefredakteurin von „Bunte“ und bereitete die Gründung von „Gala“ vor. Sie produzierte über 20 Jahre Promipreisverleihungen wie „Bambi“ und die „Goldene Kamera“. Sie sagt von sich, dass sie klatschsüchtig geblieben ist, auch wenn sie sich seit einigen Jahren hauptsächlich anderen Themen widmet, der Stärkung von Frauen und Mädchen und die Vernetzung der jungen Generation vor allen in Entwicklungsländern.

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