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Jeder Markt hat seine Eigenheiten. Einige US-Zeitungen und -Zeitschriften sind nicht bereit, sich auf die neue EU-Datenschutz-Grundverordnung einzustellen.

© Getty Images

Nach der Datenschutz-Novelle: Europäer müssen draußen bleiben

Noch immer sperren einige US-Medien EU-Leser wegen der neuen Datenschutz-Verordnung aus. Dabei zeigen "Washington Post" und "USA Today", wie es besser geht.

Am Mittwoch ist es zwei Monate her, dass in der EU die neue Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) in Kraft trat, und noch immer sind etliche Webseiten von US-Medien in der Europäischen Union nicht erreichbar. Unter anderem die Angebote des Konzerns Lee Enterprises, zu dem mehrere Dutzend Tages- und Wochenendzeitungen wie die „St. Louis Post Dispatch“ und die „Arizona Daily Sun“ gehören, sperren Internetnutzer aus der EU seit dem 25. Mai mittels Geoblocking aus. Lee.net empfängt seine Besucher mit der Nachricht: „Sie versuchen diese Webseite aus einem Land des europäischen Wirtschaftsraums zu besuchen, das die Datenschutz-Grundverordnung durchsetzt. Deshalb können wir Ihnen zurzeit keinen Zugang ermöglichen.“

Auch Lokalzeitungen wie die „Baltimore Sun“ und die „Chicago Tribune“ aus dem Hause Tronc weisen EU-Leser zurück. Betroffen sind zudem die „Los Angeles Times“ und die „San Diego Union-Tribune“, die Tronc im Juni an den Milliardär Patrick Soon-Shiong verkaufte. Sie vertrösten ihre Leser mit der Nachricht: „Leider ist unsere Webseite in den meisten europäischen Ländern momentan nicht verfügbar. Wir prüfen Möglichkeiten, um unsere digitalen Angebote für den EU-Markt zugänglich zu machen.“ Ein gleichlautendes Statement sendet auch eine Tronc-Sprecherin per Mail, beantwortet aber keine Rückfragen.

Auch in Deutschland sorgte die Datenschutz-Verordnung für Unsicherheit. So schlossen einige Blogger und Seitenbetreiber ihre Onlineauftritte vorübergehend oder ganz, um keine Abmahnung zu riskieren. Eine Liste von über 300 dichtgemachten Seiten stellte der Journalist Enno Park auf seinem Blog zusammen. Viele Seitenbetreiber haben sich indes an die Verordnung angepasst und bitten ihre Besucher mit Einblendungen um Zustimmung zur Datenverarbeitung. Maximal 20 Millionen Euro oder vier Prozent des Jahresumsatzes bei Unternehmen kann ein Verstoß gegen die neue Verordnung kosten. Sie soll Bürgern im Netz mehr Kontrolle über ihre Daten geben. Viele Webseiten erheben bestimmte Nutzerinformationen, um ihren Auftritt zu analysieren und personalisierte Onlinewerbung zu verkaufen.

Die Zeit nicht genutzt

Sehr deutlich äußerte sich die Andrea Jelinek, die Vorsitzende des European Data Protection Board (EDPB), in der „New York Times“, als bekannt wurde, dass US-Medien EU-Bürger aussperren: „Die Verordnung ist nicht einfach vom Himmel gefallen, alle hatten genug Zeit, sich vorzubereiten.“ Ihre Behörde ist für die Anwendung der Verordnung zuständig. Dem Tagesspiegel teilt ein EDPB-Sprecher mit, man sei überzeugt, die betroffenen Zeitungen und Dienstleister fänden einen Weg, damit EU-Kunden ihre Angebote erreichen können, da es in ihrem kommerziellen Interesse liege. Man gehe davon aus, dass die meisten Anbieter ihre Seiten derzeit noch DSGVO-konform einrichten. Schließlich seien viele EU-Unternehmen und Zeitungen mit dem gleichen Geschäftsmodell online erreichbar. Die Verordnung sei also kein Hindernis, um Services in der EU anzubieten.

Allerdings seien nicht alle US-Firmen überhaupt betroffen, betont der EDPB-Sprecher. Die Verordnung sei nur anwendbar, wenn ein US-Unternehmen eine Niederlassung in der EU habe und sich an EU-Bürger richte. Ein Sprecher der Bundesdatenschutzbeauftragten Andrea Voßhoff erläutert, es sei nicht eindeutig klar, ob US-Lokalnachrichtenseiten tatsächlich den EU-Markt adressieren. Auch wenn es eher unwahrscheinlich sei, müsse man den Einzelfall betrachten.

Offenbar herrscht bei den Medienunternehmen keine große Dringlichkeit, ihre Webseiten umzurüsten. Entbehrlich ist wohl die Zahl der EU-Bürger, die sich ausgerechnet in der „Los Angeles Times“ über Trump-Schlagzeilen informieren oder wissen wollen, wie viel Geld der US-Südstaat Arizona für den Schutz mexikanischer Wölfe ausgibt. Es bleibt abzuwarten, ob Leser hierzulande künftig wieder Zugang zu den Angeboten erhalten. Das US-Medienmagazin „Digiday“ will indes aus einer Quelle erfahren haben, Tronc werde seine Seiten in den kommende Monaten wieder öffnen.

Andere US-Medien sind weiterhin online erreichbar. Beim National Public Radio können Nutzer der Datenerhebung zustimmen oder eine einfache Version von NPR.org aufrufen, die lediglich Texte und Links anzeigt. Auch die „New York Times“ informiert Besucher über die Neuregelung und bittet um Zustimmung. Die „Washington Post“ möchte mit ihren Lesern gleich ins Geschäft kommen: Dort kann man ein Abo abschließen oder gratis eine begrenzte Zahl von Artikeln lesen, wobei die Seite dann ebenfalls Daten erhebt.

Ein „Premium EU-Abo“, das ohne Werbung und Datensammeln auskommen soll, kostet bei der „Post“ 90 Dollar (knapp 77 Euro) im Jahr. Zahlen veröffentliche die Zeitung, die zum Imperium von Amazon-Gründer Jeff Bezos gehört, allerdings nicht. Man sei aber sehr zufrieden mit den ersten Ergebnissen, erklärte eine Sprecherin. Vielfach gelobt wurde in sozialen Netzwerken der Weg der Zeitung „USA Today“: Sie leitet EU-Leser auf ihre neue „European Union Experience“-Nachrichtenseite weiter. Die ist aufgeräumt, lädt schnell – und verspricht, keine persönlichen Daten zu sammeln. Das ist doppelt erfreulich, einerseits im Sinne des Datenschutzes, andererseits weil der Zeitung europäische Leser weiter wichtig sind.

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