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Nachspiel. Der Tod von Dirk Bach war der als rechtsradikal geltenden pseudo-christlichen Webseite Kreuz.net einen Nachruf wert: Bach brenne in der „ewigen Homo-Hölle“. Foto: dpa

© dpa

Nach Dirk Bach Verunglimpfung: Spuren zu pseudo-christlicher Hetzseite verdichten sich

Nach Dirk Bachs Tod wurden üble Schmähungen über ihn auf einer vermeintlich katholischen Internetseite veröffentlicht. Nun gibt es neue Hinweise auf die Hintermänner der verfassungsfeindlichen Website, an der sich die Ermittlungsbehörden seit Jahren die Zähne ausbeißen.

Er war die bunte Spaßkugel im deutschen Unterhaltungsfernsehen. Rosa Federboas, eine extravagante Garderobe und gerne auch einmal Frauenkleider waren sein Markenzeichen: Dirk Bach stand offen dazu, dass er schwul war und kokettierte damit. Dafür liebte ihn das Publikum, doch es brachte ihm auch den Hass kirchlicher Kreise ein. Als nach Dirk Bachs Tod am ersten Oktober üble Schmähungen über ihn auf einer vermeintlich katholischen Internetseite veröffentlicht wurden, löste das eine Welle der Solidarität mit dem Schauspieler aus. Nun gibt es neue Hinweise auf die Hintermänner jener verfassungsfeindlichen Website, an der sich die Ermittlungsbehörden seit Jahren die Zähne ausbeißen.

In der oberen linken Ecke prangt ein Bild von Jesus Christus. Er ist ans Kreuz genagelt. Weiter unten stehen Fotos der römischen Bischofssynode mit dem Hinweis „Katholische Nachrichten“. Auf den ersten Blick wirkt der Internetauftritt der Seite kreuz.net wie ein normales kirchliches Informationsportal. Doch der Schein trügt. Schon seit 2004 werden auf der deutschsprachigen Website homophobe und antisemitische Beiträge veröffentlicht, in denen sogar der Verfassungsschutz eine Bestrebung gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung sieht, die „die Grenze zur Strafbarkeit überschreitet“, wie der ehemalige Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Heinz Fromm, in einem Antwortbrief an den Grünen-Abgeordneten Volker Beck schrieb. Strafrechtlich relevante Äußerungen finden sich auf kreuz.net auch über den Schauspieler Dirk Bach. „Jetzt brennt er in der ewigen Homo-Hölle“, stand dort einen Tag nach seinem Tod geschrieben. Wiederholt wird er als „Kotstecher“ verunglimpft, die anonymen Autoren legen nahe, Bach sei an seiner Homosexualität gestorben.

Dass im Internet oftmals ungestraft Hetze gegen alle Arten von Minderheiten verbreitet wird, ist nicht neu. Islamophobe Seiten wie „Politically Incorrect“ oder „Nürnberg 2.0“ können sich seit langem dem Zugriff deutscher Behörden durch im Ausland gehostete Server entziehen. Neu ist die Gegenbewegung: Dass, angestoßen durch die Diffamierungen im Fall Bach und mit den Möglichkeiten des Crowdfundings im Web Front gegen eine Seite wie kreuz.net gemacht wird. Unter der Domain „stopptkreuznet.de“ hat der Berliner Bruno Gmünder Verlag, der Literatur von Schwulen für Schwule vertreibt, eine Initiative unter der Leitung des Theologen David Berger ins Leben gerufen. Berger war wegen seiner Homosexualität selbst massiven Diffamierungen auf der Seite ausgesetzt. „Bei uns sind bereits mehrere hundert Hinweise zu den anonymen Schreibern auf kreuz.net eingegangen“, sagte Berger. Viele der Tipps stammten auch aus gewissen kirchlichen Zirkeln, sagte er. Kaum jemand aus diesen Kreisen sei aber bereit sich vor Gericht zu äußern, aus Angst selbst Opfer der Diffamierungen auf kreuz.net zu werden. Als zusätzlichen Anreiz für diese wichtigen Quellen hat der Bruno Gmünder Verlag im Internet Spenden gesammelt und damit eine Belohnung ausgelobt. Etwas mehr als 16 000 Euro gibt es deswegen derzeit für Hinweise, die zu einer Festnahme der Macher der Seite führen. „Wir geben alle Hinweise an die Staatsanwaltschaft weiter, die muss dann im Einzelfall prüfen, ob die Indizien für eine Hausdurchsuchung ausreichen.“

Die stille Zustimmung einiger Kirchen-Vertreter

Anzeigen haben die Staatsanwaltschaften bereits zuhauf vorliegen. Aktuell laufen Ermittlungen der Behörden in Frankfurt am Main, Köln und Berlin. Auch auf Antrag der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), die sich in diesen Tagen erneut von der vorgeblich kirchlichen Nachrichtenseite distanziert hat: „Hier wird der Begriff ,katholisch’ auf das Gröbste missbraucht. Kreuz.net ist ein gefährliches antisemitisches, volksverhetzendes und menschenverachtendes Portal, das keine Existenzberechtigung hat“, sagte DBK-Sprecher Matthias Kopp. Er forderte die Betreiber auf, aus „der Feigheit der Anonymität“ zu treten. Bemerkenswert ist, dass sich kreuz.net auch Informationen aus Arbeitspapieren der Deutschen Bischofskonferenz beschaffen konnte. Das Hetz-Portal stellte im Juli 2011 ein internes Schreiben der DBK zum Umgang mit Missbrauchsfällen im kirchlichen Bereich online, das Grundlage einer Arbeitshilfe war, die erst 2012 veröffentlicht werden sollte. Die Vermutung, dass hier Insider Informationen weitergegeben haben, liegt nahe. Auch sonst brüstet sich die sonst anonym gehaltene Seite mit Texten bekannter Autoren der Kirche, die vielfach der Verwendung ihrer Essays auf der Website zumindest nicht öffentlich widersprochen haben. Darunter beispielsweise auch der Schweizer Priester Reto Ney, der mit den Vorwürfen konfrontiert auf seinem eigenen Internetportal gloria.tv Stellung bezieht: „Die Webseite hat einige Artikel von mir nachpubliziert. Das freut mich.“

Es ist genau diese stille Zustimmung einiger Vertreter der Kirche, die David Berger so wütend macht. Er ist aber zuversichtlich, dass es in den nächsten Wochen einen Ermittlungserfolg geben könnte. Einige Spuren führen nach Österreich, wo der dortige Verfassungsschutz die Seite schon länger im Blick hat. „Der Server der Seite liegt in den USA, dort haben wir selbst keine Ausforschungsmöglichkeiten“, sagte der Sprecher des österreichischen Bundesinnenministeriums, Karl-Heinz Grundböck. Gleiches gilt für den deutschen Verfassungsschutz und das Bundeskriminalamt. Deshalb kann die Internetseite wie viele weitere volksverhetzende Portale nicht einfach abgeschaltet werden. Einzige Möglichkeit sei, ein Amtshilfeverfahren in den USA zu beantragen, sagte Grundböck. Doch dort werde die Meinungsfreiheit viel großzügiger ausgelegt als in Deutschland, so dass die menschenverachtenden Äußerungen über Dirk Bach in den USA gar nicht strafrechtlich relevant seien. Die US-Behörden dürften deswegen nicht tätig werden.

In Deutschland sind die Äußerungen durchaus strafbar. Wären die Betreiber bekannt, könnte die Staatsanwaltschaft Anklage erheben. Neben Hilfe aus dem Internet hat sich das Bündnis „Stoppt Kreuz.net“ auch ans Fernsehen gewandt. Ein ARD-Team unterstützt die Recherchen. Geht es nach Berger, sollten die Macher von kreuz.net ein letztes Mal einen Platz auf der großen Bühne bekommen. Bei ihrer Verhaftung durch die Staatsanwaltschaft, begleitet von Kameras.

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