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Im Kugelhagel wollte Imogen Kogge als Hauptkommissarin Johanna Herz nicht sterben. Sie verabschiedet sich ohne großes Tamtam und geht nach Spanien. Foto: RBB

© rbb/Conny Klein

Nach zehn Jahren: Flucht aus dem Hamsterrad

Imogen Kogge verlässt den „Polizeiruf 110“. Warum sie vom Job als Ermittlerin gelangweilt ist.

Imogen Kogge mag keinen Wirbel um ihre Person. Unprätentiös kurvt sie mit ihrem alten Fahrrad zum Interview im Café Heider am Nauener Tor in Potsdam. „Ich bin spät dran“, entschuldigt sie sich und streicht schnell ihr rotes Haar, das vom Fahrtwind durcheinandergeraten ist, aus dem Gesicht. „Ich war beim Amt, musste noch einige Unterlagen abgeben“, erklärt sie, während sie das Rad anschließt. „So ein Neuanfang ist mit viel Organisation verbunden.“

Ein Neuanfang bedeutet zunächst einmal Abschied nehmen. Am kommenden Sonntag ist die 53-Jährige das letzte Mal als Johanna Herz im „Polizeiruf 110“ zu sehen. Eine Rolle, durch die die Schauspielerin in den vergangenen zehn Jahren bei einem breiten TV-Publikum bekannt wurde. Nachdem Johannes Herz ihren letzten Fall „Die Fremde im Spiegel“ gelöst hat, räumt die Kommissarin einfach ihre Sachen vom Schreibtisch, klemmt den Kaktus unter den Arm und quittiert den Dienst. Sie fährt zu ihrer Tochter Leonie nach Madrid. Kogge hatte sich nach zwölf Episoden einen unspektakulären Abschied gewünscht. Die Vorstellung, im Kugelhagel zu sterben, fand sie „ein wenig übertrieben“.

Johanna Herz war dienstmüde. „Sie verspürte immer mehr diese Unlust“, erklärt Imogen Kogge, und es klingt so, als würde sie weniger von der Figur der Polizistin als von sich selbst sprechen. Sie sei sich im Laufe der Jahre immer mehr vorgekommen wie eine „Vollzugsbeamtin für die Rolle“, gibt sie dann auch ganz offen zu. „Szene für Szene, wie im Hamsterrad“ – dabei hatte sie im Gegensatz zu vielen Kollegen etwa im „Tatort“ ein noch recht überschaubares Arbeitspensum, drehte ein bis zwei Folgen im Jahr.

Trotzdem: „Wo waren Sie gestern zwischen 17 und 19 Uhr?“ – „Bringen Sie das ins Labor“ – „Ein Fall für die Spurensicherung“, die immer gleichen Polizeiphrasen haben Kogge genervt. „Ich bin doch Schauspielerin! Langeweile – und das in meinem Job, das kommt nicht in die Tüte“, erklärt sie und bestellt ein Kännchen Kaffee. „Als Schauspieler zieht man sich Rollen an, trägt sie eine Weile mit sich rum und ist dann aber meistens froh, sie ausziehen zu können“, sagt Imogen Kogge und ergänzt dann mit Nachdruck: „Es müssen neue Herausforderungen kommen, denn sonst herrscht Stillstand, und das ist der Tod für jede Kreativität“. Ob die Krimireihe mit neuer Besetzung in die Verlängerung geht, steht noch nicht fest.

Vielleicht hat Kogge aber auch nicht gefallen, dass die clowneske Rolle ihres Kompagnons, Polizeihauptmeister Horst Krause, immer mehr Raum in den Geschichten einnahm. Der Kollege punktet eher durch seine zu eng sitzende Uniform, Bauernschläue und Bouletten essen anstatt mit Feinsinn.

Klamauk und platte Sprüche passen nicht zu Kogge. Sie sieht sich als Bühnenschauspielerin, hat an der Hochschule der Künste in Berlin studiert. Nach der Ausbildung war sie unter anderem am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg und an der Schaubühne in Berlin festes Ensemblemitglied. Derzeit spielt sie am Renaissance Theater, weitere TV-Projekte hat sie noch nicht geplant.

2006 wurde Kogge für den Polizeiruf „Kleine Frau“ mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet, erhielt 2007 den Deutschen Filmpreis für die beste weibliche Nebenrolle in „Requiem“. Imogen Kogge nimmt sich selbst bewusst zurück. Im Gespräch fühlt es sich eher so an, als sei sie eine alte Bekannte – herzlich, offen, dezent. Keine großen Gesten, kein überlautes Lachen, mit denen so viele ihrer Kollegen sonst sicherstellen, dass möglichst alle Gäste im Café von ihrer Anwesenheit Notiz nehmen.

„Ich mag Menschen, die sich nicht verstellen“, sagt Kogge. Bestes Beispiel seien die Ruhrpottler. Während ihres Engagements am Schauspielhaus Bochum habe sie die Arbeiterstadt und ihre Einwohner lieben gelernt. „Die Stadt ist zwar architektonisch ein wenig scheußlich, aber sie beherbergt unglaublich herzliche Menschen, die sich kein X für ein U vormachen lassen. Das imponiert mir.“

Nicht nur beim „Polizeiruf 110“, auch im Schauspielhaus Bochum hat die 53-Jährige wegen eines Intendantenwechsels in diesem Jahr Abschied genommen. Für Imogen Kogge, die nach der sanftmütigen Tochter von Shakespeares König Cymbeline benannt ist, war das ein emotional schwerer Schritt. „Ich bin eine treue Seele. Wenn die letzte Klappe oder der letzte Vorhang fällt, weiß man genau, dass etwas nie mehr so sein wird, wie es gerade noch war“, sagt sie. „Auch wenn man Kontakt zu den Kollegen hält und sich später wieder sieht, ist das Gefühl ein anderes. Bei Abschieden heule ich immer ein wenig länger als alle anderen.“ Kogge hängt schönen Momenten nach und braucht innerlich Zeit, um zu akzeptieren und zu verstehen. Gerade erst ist ihre Tochter, die wie im Film ebenfalls Leonie heißt, zum Studium nach Tübingen gegangen. „Ich hatte Jahre zwar eigentlich lange genug Zeit, mich darauf vorzubereiten, aber dann hat es mich doch überrumpelt.“

Und als sie feststellte, dass sie sich in ihrer alten Wohnung plötzlich „irgendwie übrig geblieben“ vorkam, entschloss sie sich von Hamburg nach Potsdam zu ziehen. Das sei ein bisschen wie nach Hause kommen, sagt sie. Nicht nur, weil Johanna Herz im Brandenburgischen ermittelte. Kogge ist selber in der Region groß geworden, ihre Eltern und ein Bruder wohnen noch dort. „Ich komme übrigens aus Westberlin, bin am Wannsee aufgewachsen“, sagt die Schauspielerin. Das würde viele Zuschauer, aber auch alte Kollegen immer wieder überraschen. „Die meisten Leute denken, dass ich aus dem Osten komme. Ich nehme das als Kompliment.“

„Polizeiruf 110: Die Fremde im Spiegel“, Sonntag, 20 Uhr 15, ARD

Gaby Herzog

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