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Der Journalist Lothar Loewe, 1929 – 2010.

© ddp

Nachruf: Lothar Loewe: Zeuge seiner Zeit

Berliner und Korrespondent in Ost-Berlin: Der Fernsehjournalist Lothar Loewe ist gestorben. Ein Nachruf.

Hier war das Wort vom journalistischen Urgestein berechtigt, von seiner Berliner Machart ganz besonders. Denn Lothar Loewe verkörperte den Berliner Nachkriegsjournalismus wie kaum einer sonst. Das hatte nicht nur mit seinem Naturell zu tun, in dem seine Geburtsstadt unübersehbar war: immer ein bisschen die Uns-kann-keener-Tonlage, immer offenes Visier, keine Auseinandersetzung scheuend. Aber die Stadt und ihr Schicksal haben ihn auch als Person tief geprägt.

Und zwar von ihrer dunkelsten Stunde an. Der blutjunge Hitlerjunge geriet 1945 noch in die Schlacht um Berlin, und wenn er davon erzählte, zumeist mit flachsendem Unterton, ahnte man noch etwas von der Ahnungslosigkeit und der Verführbarkeit seiner Generation. Die Nachkriegsjahre zwischen Blockade und Mauerbau erlebte er als Zeitungs-Journalist, aber seine eigentliche Karriere begann mit der Etablierung des Fernsehens. Mit kaum dreißig Jahren kam er nach Washington, dann nach Moskau, dann überallhin als Sonderkorrespondent für „Tagesschau“ und „Weltspiegel“, damals berühmte Sendeplätze. Da glänzte Lothar Loewe als der junge dynamische Reporter aus dem Bilderbuch, dank Berliner Erfahrungen gut atlantisch gesonnen und mit Lust den Ereignissen auf der Fährte. Ein Mann, der aus einem Film von Billy Wilder hätte sein können.

Dann schrieb er Fernsehgeschichte. Als Leiter des dank der deutsch-deutschen Vertragspolitik errichteten ARD-Studios in Ost-Berlin seit 1974 nutzte er die Chance zur Berichterstattung so neugierig und pointiert, dass er bald ins Visier der SED-Oberen geriet. Mehrfach wurde er verwarnt, seine Abberufung gefordert, aber das tat seinem Spürsinn und seinem Vergnügen am Ausloten der journalistischen Spielräume keinen Abbruch. Es waren die Jahre, in denen es in der DDR zu gären begann – erste Protestregungen gehörten dazu, auch die Selbstverbrennung des Pfarrers Brüsewitz. Im Dezember 1976 kam es zum Eklat: In einem Bericht formulierte Loewe, in der DDR wisse „jedes Kind, dass die Grenztruppen strikten Befehl haben, auf Menschen wie auf Hasen zu schießen“. Postwendend wies die DDR den Korrespondenten aus. Angelegt auf den spektakulären Rauswurf hatte es Loewe nicht. Allerdings hatte er die Berichterstattung aus der DDR als Herausforderung gesucht – als der journalistische Haudegen und Patriot, der er zeitlebens war.

Die Jahre danach sind Lothar Loewe etliches schuldig geblieben, auch und gerade, weil sie ihn in die Spitze der Medien-Hierarchie katapultierten. Der Intendant des SFB, zu dem er überraschend gewählt wurde, kam mit der Mehrheit der Redakteure nicht zurecht, diese nicht mit seinem Führungsstil. Sehen wir davon ab, dass ein genuiner Reporter offenbar nicht zum Rundfunk-Bürokraten geeignet ist, stieß damals – es war Mitte der achtziger Jahre, Berlin in Bewegung – ein älteres Berliner Weltbild mit einem neuen zusammen. Es wird ihm eine Genugtuung gewesen sein, dass er nach der Wende ARD-Hörfunkbeauftragter für den Deutschlandsender Kultur wurde und auf diese Weise eineinhalb Jahrzente nach seiner Ausweisung in das Büro eines Ex-DDR-Rundfunkdirektors einzog.

Der alte Lothar Loewe behielt sein Temperament. Er vermittelte noch immer das Bild des Vollblutjournalisten von eher robustem Charme, auch wenn er nur am Rande eines Empfangs auftauchte, und die Gut-gebrüllt-Loewe-Respektbezeugung, zu der sein Name verführte, lag vor allem jüngeren Gesprächspartnern oft auf der Zunge. Am Montag ist er im Alter von 81 Jahren gestorben: ein Charakter, ein großer Journalist, ein Zeuge seiner Zeit.

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