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Die Journalistin Monika Müller-Kroll (l.) berichtet für National Public Radio aus Berlin.

© Paul Zinken

National Public Radio: Der Sound von Berlin

Ein Stück Heimat in der Ferne: Seit vier Jahren sendet das National Public Radio in der Hauptstadt.

Wenn Amerikaner in Berlin Heimweh haben, schalten sie das Radio ein. Auf der Frequenz 104,1 läuft National Public Radio (NPR). Für viele Hörer ein Stück Heimat. „Als ich das erste Mal in Berlin den Sender im Radio gefunden habe, dachte ich mir ,Jetzt kann ich mich hier wirklich ein bisschen wie zu Hause fühlen‘“, erzählt ein Hörer aus Lichtenberg in einem der kurzen Spots, die der Sender zwischen Nachrichten und Talk-Formaten einspielt.

In den USA kennt den Sender fast jeder: Seit fast 40 Jahren ist er ein Aushängeschild der amerikanischen Medienlandschaft. Rund 33 Millionen hören NPR jede Woche, das sind mehr, als die größten Zeitungen der USA Leser haben. Informationsformate wie „All Things Considered“ sind dort ebenso wenig wegzudenken wie im deutschen Fernsehen die „Tagesschau“, die markante Stimme von Moderatorin Diane Rehm ist so bekannt wie hierzulande die von Fußballkommentatorin Sabine Töpperwien. Bei „Car Talk“ sorgen zwei Automechaniker seit 1987 für die Lösung absurder Autoprobleme – und Lachkrämpfe bei den Zuhörern.

NPR gilt als kritisch und kreativ, seine Nachrichten setzen journalistische Standards und wenn samstagabends anspruchsvolle Talk-Shows laufen, dauern die schon mal zwei Stunden, ohne eine einzige Werbepause. „Slow-Radio“, so hat es der ehemalige US-Botschafter in Berlin John Kornblum beschrieben – auch er ein bekennender Fan von NPR Berlin.

Dass es den Sender nun schon seit vier Jahren auch in Deutschland gibt, ist vor allem Berliner NPR-Fans zu verdanken: 2006 sollte die Frequenz, auf der bis dahin der regierungsnahe US-Staatssender „Voice of America“ sendete, neu vergeben werden. Daraufhin engagierten sich viele in Berlin lebende Amerikaner für ihren Lieblingssender: Sie veranstalteten Partys, schrieben Briefe an Politiker und die Landesmedienanstalt und baten, die Frequenz doch an NPR zu vergeben. Mit Erfolg: Bis 2013 bekam der Sender den Zuschlag für ein Vollprogramm. Im April 2006 ging NPR Berlin auf Sendung.

Ein eigenes Berlin-Büro hat NPR nicht. Das Mantelprogramm mit den Nachrichten und Shows kommt aus der Zentrale des Senders in Washington. Trotzdem gibt es auch eigene Beiträge über Berlin, die freie Mitarbeiter vor Ort machen, meist kurze Stücke von 90 Sekunden oder drei Minuten. „Das hört sich zuerst schwierig an. Was macht man mit neunzig Sekunden? Man will ja eine kleine Geschichte erzählen“, sagt die Journalistin Monika Müller-Kroll, die seit vier Jahren frei für den Sender arbeitet. Sie hat sich deshalb mit den Kollegen in Washington überlegt, welche Geschichten man in anderthalb Minuten über Berlin erzählen kann. Herausgekommen sind die „Sounds of Berlin“ – nette Kurzgeschichten, in denen Berliner auf Englisch erzählen, was sie an ihrer Stadt akustisch besonders gern mögen. Das kann Ping-Pong in einer Tischtennisbar im Prenzlauer Berg sein oder der Klang zerkratzter Schellack-Platten eines Sammlers aus Neukölln.

Auch wenn es keine Zahlen darüber gibt, wie viele Hörer NPR Berlin hat – viele Fans sind auf jeden Fall dabei. „Wir bekommen per Mail eine Menge Feedback“, sagt Programmdirektor Kingsley Smith. „NPR Hörer sind sehr loyal“, weiß auch Monika Müller-Kroll. Viele Amerikaner in Berlin seien in den USA mit dem Sender aufgewachsen. Diese enge Bindung der Hörer ist auch aus einem ganz praktischen Grund nicht unwichtig. Denn NPR finanziert sich – abgesehen von einem Minimum an staatlicher Unterstützung – über einzelne Sponsoren und private Spender. In den USA werben die rund 800 zu NPR gehörigen Stationen deshalb in eigener Sache bei den Hörern um finanzielle Unterstützung. „Pledge Drive“ heißt das Verfahren, bei dem NPR in den USA etwa 150 Millionen Dollar einwirbt. Im Vergleich zu den Milliarden, die in Deutschland jedes Jahr durch die GEZ zusammenkommen, ein verschwindend kleiner Betrag. Trotzdem leistet sich der Sender ein größeres Korrespondentennetzwerk als die meisten US-Fernsehstationen.

Weil NPR Berlin ähnlich funktioniert wie eine der amerikanischen Stationen, wurden dieses Jahr zum ersten Mal auch die Hörer in Deutschland gebeten, den Sender finanziell zu unterstützen. Einen Monat lang sendete NPR Spendenaufrufe. Im Internet, wo NPR Berlin nicht nur mit einer eigenen Seite, sondern auch bei Facebook vertreten ist, konnte die Unterstützung auch gleich online zugesagt werden. Das erste Ergebnis: 92 Hörer spendeten insgesamt etwa 8000 Euro. Ein Ergebnis, das Programmdirektor Kingsley Smith hoffen lässt: „Wir wollen das in Zukunft verstärken.“

Um zu signalisieren, dass NPR seinen Berlin-Ableger ernst nimmt, gab es Ende Juli die erste Hörer-Veranstaltung des Senders, zu der 300 Gäste kamen. Auch die Präsidentin des Senders, Vivian Schiller, reiste dafür zusammen mit dem Programmdirektor eigens aus Washington an. Mitgenommen hat Kingsley Smith daraus jede Menge Anregungen der Hörer, und viel Lob. „Für uns ist es wirklich spannend, in Berlin vertreten zu sein“, sagt er. Deshalb denke man in Washington nun darüber nach, wie das Programm ausgebaut werden könnte. Auch über 2013 hinaus.

Julia Kimmerle

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