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Medien: Nebenkriegsschauplatz

ARD-Anstalten streiten sich über die Irak-Berichterstattung

Die deutsche Politik zum Irakkonflikt ist schon kompliziert, aber das Vorgehen der ARD ist vielleicht noch komplizierter. Nach Recherchen des Magazins „Cut“ behindert der Südwestrundfunk (SWR), der für die Berichterstattung über das Land zuständig ist, die Einreise anderer ARDTeams. Die Begründung: Der eigene Korrespondent Jörg Armbruster könne sonst nicht einreisen, weil der Irak immer nur ein Team von einem Sender ins Land lasse. SWR-Fernsehdirektor Christof Schmid sagt: „Offensichtlich entscheiden die irakischen Behörden nach TV-Systemen. Wenn ein Team der ARD im Irak ist, kann es deswegen sein, dass der zuständige Korrespondent kein Visum erhält, weil die Zahl der Teams von einzelnen Sendern beschränkt ist.“ Andere Sender haben von diesem Problem noch nie gehört; selbst US-amerikanische Networks haben mehrere Teams vor Ort. Bereits während des ersten Golfkrieges hatte der damalige Süddeutsche Rundfunk keine Berichterstatter vor Ort.

SWR behindert WDR

Kurz vor Weihnachten wollte nun eine freie Journalistin für die WDR-Kirchenredaktion ein 30-minütiges Feature unter dem Arbeitstitel „Dem Feind ein Gesicht geben“ drehen. Es sollte über das zivile Leben der Iraker berichtet werden. Die Menschen leiden so stark unter den Sanktionen der UNO, dass der ehemalige UN-Beauftragte für humanitäre Angelegenheiten, Hans von Sponeck, sein Amt mit der Begründung zurückgegeben hat, er wolle sich nicht an einem völkerrechtlichen Verbrechen mitschuldig machen. Hans von Sponeck verfügt über beste Beziehungen in den Irak und hatte der Journalistin und einem WDR-Kameramann ein Dreimonatsvisum besorgt, das Mitte März ausläuft. Der SWR intervenierte beim WDR, der seine Autorin daraufhin zurückrief. Der SWR-Korrespondent ging einige Tage später in Urlaub, so dass zwischen den Jahren kein ARD-Mitarbeiter vor Ort war. Später erhielt der Korrespondent ein Visum und reiste nach Bagdad. Das WDR-Team bereitete sich wieder auf die Reise vor und wurde ein zweites Mal in letzter Minute zurückbeordert. Die Begründung: Erst müsse ein zweites SWR-Team einreisen können, dann dürfe auch das WDR-Team einreisen.

Berichtshoheit

Hintergrund für diese selbst auferlegte Beschneidung einer hintergründigen Berichterstattung ist die Aufteilung der Welt innerhalb der ARD. So schicken die einzelnen Sendeanstalten Korrespondenten in „ihre“ Gebiete. Andere Sender respektieren die Berichtshoheit des jeweiligen Senders. Der SWR ist so für den Irak zuständig, der Bayerische Rundfunk (BR) für den Nord-Irak.

Sowohl der SWR als auch der BR haben massive Probleme mit der Einreise ihrer Korrespondenten in die Krisenregion, verzichten aber gleichzeitig auf die Berichterstattung anderer ARD-Teams. So berichtet der freie Hörfunkkorrespondent Martin Ebbing, dass er auf seine Beitragsangebote an den BR noch nicht einmal eine Absage erhält, obwohl der BR selbst keinen Korrespondenten im Nord-Irak hat. Stattdessen berichtet der zuständige Korrespondent Dieter Sauter weitab vom Schuss aus Istanbul. BR-Sprecher Rudi Küffner sagte dem Tagesspiegel, dass „Dieter Sauter sehr bald in den Nordirak wird einreisen können“. Außerdem verfüge der Sender jetzt über einen eigenen Korrespondenten in der Türkei an der Grenze zum Nordirak. Martin Ebbing hat jetzt – über alle Senderköpfe hinweg – doch einen festen Abnehmer gefunden: ARD aktuell hat ihn für Beiträge in den „Tagesthemen“ engagiert. ARD aktuell hat als Gemeinschaftseinrichtung offenbar mehr Freiheiten als die einzelnen Sender.

Die Anstalten selbst wollen am Korrespondentensystem nicht rütteln. Die jeweilige Berichtshoheit wird sowohl vom ARD-Chefredakteur Hartmann von der Tann als auch von den Sendern bestätigt. Der WDR versucht in der Zwischenzeit, einen eigenen Korrespondenten als „Embedded-Journalist“ mit dem US-Militär einreisen zu lassen. Hinter vorgehaltener Hand heißt es, es wäre eine Schmach für den SWR, sollten andere ARD-Mitarbeiter bessere Berichte aus dem „SWR-Gebiet“ bringen als der zuständige Sender selbst. Deswegen würde das Terrain „freigehalten“.pro/Tsp

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